Adrian Newey, Technischer Direktor von Red Bull Racing, beim Qualifying vor dem Grand Prix von Saudi Arabien auf dem Jeddah Cornische Circuit, am 26. März 2022.
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Art & Design

Vom Papier ins Fahrerlager: Design-Guru Adrian Newey im Interview

Der Technische Direktor von Oracle Red Bull Racing, Adrian Newey, spricht mit uns über den kreativen Prozess, der ihn zum erfolgreichsten Designer in der Geschichte der Formel 1 gemacht hat.
Autor: Trish Medalen
6 min readPublished on
Nach seinem Abschluss in Luft- und Raumfahrttechnik wurde der Brite Adrian Newey sofort in die Formel 1 geholt. In seiner mittlerweile vier Jahrzehnte währenden Karriere hat er (bisher) 11 Konstrukteurstitel gewonnen und mit seinen Designs hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass einige der größten Stars des Sports den Weltmeistertitel holten.
Newey, der für seine Verdienste im Motorsport mit einem OBE (Aufnahme in den Orden des British Empire) ausgezeichnet wurde, würde nicht im Traum daran denken, seine Ideen woanders festzuhalten als auf Papier. Das ist auch der Grund, warum man ihn in der Boxengasse so gut wie nie ohne sein rotes Notizbuch unterm Arm sieht. Im folgenden Interview, das wir im Vorfeld des Red Bull Doodle Art World Final geführt haben -- einem Wettbewerb, bei dem sich Kreative auf der ganzen Welt mit Stift und Papier ins große Finale in Amsterdam gezeichnet haben -- gibt der Design-Guru spannende Einblicke in seine Arbeit. Und ein paar Tipps zum Zeichnen und Kritzeln hat er auch noch parat.
Adrian Newey, Technischer Direktor von Red Bull Racing, beim Training vor dem Grand Prix von Saudi Arabien auf dem Jeddah Corniche Circuit, am 17. März 2022.

Newey ist fast nie ohne sein rotes Notizbuch zu sehen

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Die erste Frage muss lauten: doodlest du?

Adrian Newey OBE: Ich setze mich nicht hin, um Doodles zu zeichnen. Aber beim Kritzeln oder Doodlen oder wie auch immer man es nennen mag, entwickelt man im Grunde genommen Ideen im Kopf und hält sie auf Papier fest.

Du hast gesagt, dass du bereits im Alter von sechs Jahren wusstest, dass du Renningenieur werden wolltest. Warst du einer dieser Schüler, der ständig seine Hefte vollkritzelte?

Ich fürchte, das war ich, vor allem in den Fächern, die mich nicht interessiert haben. Das ging sogar so weit, dass ich in Französisch durchgefallen bin, weil ich die ganze Zeit nur Rennautos in meine Hefte gezeichnet habe.

Zeichnest du heute immer noch mit Bleistift und Papier?

Ich bin sozusagen der letzte Dinosaurier in der Formel 1, der noch mit Zeichenbrett arbeitet. Für mich ist es das, womit ich aufgewachsen bin, also fühlt es sich an wie die erste Sprache, die man lernt. Wenn ich auf ein computergestütztes System (CAD-System) umsteigen würde, hätte ich das Gefühl, dass es immer meine zweite Sprache wäre. Ich könnte dann nicht mehr so frei und effizient arbeiten.

Grand Prix-Sieger Max Verstappen und Oracle Red Bull Racing feiert mit Adrian Newey (Chief Technical Officer, L) und Christian Horner (Teamchef, R) beim Großen Preis der Formel 1 in Frankreich.

Newey, Max Verstappen und Christian Horner feiern ihren Sieg in Frankreich

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Wie würdest du deine Arbeit beschreiben? Siehst du dich eher als Designer oder Ingenieur?

Es ist definitiv ein Mix. Design ist ein sehr weit gefasster Begriff. In der Automobilbranche ist Design das Styling eines Autos, nicht die Technik. Und das, was man dort als Technik bezeichnen würde, nennen wir im Rennsport Design. Wenn mich also jemand nach meiner Berufsbezeichnung fragen würde, würde ich sagen, ich bin ein Design-Ingenieur. Damit verbinde ich Kreativität mit Technik.

Der aktuelle RB19 ist nicht nur schnell, sondern sieht auch fantastisch aus...

Bei allem, was wir an einem Rennwagen machen, geht es letztlich nicht um Ästhetik. Die Skizzen, die Ideen und alles andere -- das Endziel muss immer sein, dass das Auto schneller ist. Und dazu haben wir den ultimativen Prüfer: die Stoppuhr. Vielleicht unterscheiden wir uns genau dadurch von allen anderen Definitionen von Design.

Detailaufnahme des RB19 von Max Verstappen bei der Vorstellung des Red Bull Racing-Autos im Jahr 2023.

Das Auto von Oracle Red Bull Racing für 2023, der RB19

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Könntest du den Arbeitsprozess näher beschreiben? Lässt du deine Gedanken einfach schweifen und siehst, was dabei herauskommt?

In der Regel geht es darum, ein bestimmtes Problem zu lösen. Zunächst beginne ich damit, dieses Problem in meinem Kopf durchzudenken. Dann mache ich meine ersten Skizzen. Wenn ich es dann auf Papier habe, kommt der Radiergummi genauso oft zum Einsatz wie der Bleistift. Denn wenn man erst einmal anfängt, eine richtige Skizze anzufertigen, merkt man schnell, dass gewisse Dinge nicht passen oder anders gemacht werden könnten. Also überarbeite ich sie immer wieder, oft mehrmals und entwickle sie weiter.

Und dann?

Dann kann es sein, dass ich meine Skizzen für ein paar Stunden, ein paar Tage oder sogar Wochen liegen lasse. Der Verstand ist ein erstaunliches Phänomen. Ich habe schon häufig festgestellt, dass das Unterbewusstsein immer weiter an einem Problem arbeitet, und dann plötzlich, unter der Dusche oder bei etwas ähnlich Banalem, taucht die zündende Idee auf. Dann setze ich mich wieder an meine Skizze. Nachdem die Grundidee oder das erste Konzept freihändig festgehalten wurde, kommt das Zeichenbrett zum Einsatz, wo ich dann beginne, den ersten technischen Entwurf anzufertigen.

Helfen diese technischen Zeichnungen bei der Kommunikation mit dem Rest des Team?

Ja. Ich bin nur einer von vielen herausragenden und talentierten Ingenieuren hier. Wir arbeiten alle zusammen. Ich bin ein bisschen ein Eigenbrötler, weil ich mich für Dinge engagiere, bei denen ich das Gefühl habe, dass ich neue Ideen einbringen oder Akzente setzen kann. Dann ist es der gleiche Prozess, den ich gerade beschrieben habe. Wenn ich dann so weit fertig bin, gibt es zwei oder drei Leute, die meine Bleistiftzeichnungen in das CAD-System übertragen.

Adrian Newey in der Red Bull Racing Factory in Milton Keynes, Großbritannien, 2020.

Newey fertigt seine technischen Zeichnungen am Zeichenbrett an

© Thomas Butler/Red Bull Content Pool

Wie fühlt es sich an, wenn die eigenen Ideen in die Realität umgesetzt werden?

Das ist sehr befriedigend. Ich denke, für das gesamte Team hier ist es ein großartiges Gefühl, wenn die Entwürfe oder Gedanken zum Auto, für die sie verantwortlich waren, schließlich Gestalt annehmen.

Nach all diesen Jahren im Motorsport schaffst du es immer noch innovativ zu sein. Was ist deiner Meinung nach der Schlüssel zu neuer Inspiration?

Beobachtung und Neugierde auf das, was einen umgibt. Ich denke, es ist immer wichtig, die Augen offen zu halten und sich umzusehen. Manchmal kommt die Inspiration am Flughafen, wenn man ein Flugzeug betrachtet und sich denkt: "Das ist aber ein interessantes Feature". Oder bei einer Hängebrücke -- es kann alles Mögliche sein. Ich denke, man muss einfach neugierig bleiben. Neugierde führt auf natürlichem Wege zu Beobachtung.

Adrian Newey, Technischer Direktor von Red Bull Racing, beim F1 Grand Prix von Singapur auf dem Marina Bay Street Circuit, am 2. Oktober 2022.

Newey hat schon immer gerne gekritzelt und skizziert

© Getty Images / Red Bull Content Pool

Es ist immer wichtig, die Augen offen zu halten und sich umzusehen.

Die Formel 1 hält einen zweifellos auf Trab, aber wie sieht's in der Freizeit aus - gehst du im Alltag auch kreativen Tätigkeiten nach?

Die Zeit ist ein Problem. Gelegentlich greife ich auch zu Hause zum Stift, und wenn ich das tue, dann macht es mir Spaß. Meine Mutter war eine begeisterte Hobbykünstlerin, ebenso wie meine beiden Großmütter. Mein Bruder ist auch semiprofessioneller Künstler, die künstlerische Ader liegt also eindeutig in der Familie.

Hast du Tipps für jemanden, der Rennwagen zeichnen möchte?

Das erste ist Neugier -- Neugier und Beobachtung. Schau dir andere Autos an, sei es in der Formel 1 oder in einem völlig anderen Bereich, der dich interessiert. Und stelle dir die Frage: "Warum machen die das? Was machen sie?" Dann fertige eine Skizze davon an.

Wenn man eine Skizze oder ein Doodle anfertigt, dann macht man das meistens auf einem Blatt Papier. Autos und andere Objekte sind dreidimensional. Wenn man also in 2D zeichnet, muss man versuchen, es in 3D zu visualisieren. Normalerweise mache ich mehrere Skizzen aus verschiedenen Perspektiven -- zum Beispiel eine Seitenansicht und eine Rückansicht. Auf diese Weise funktioniert es als dreidimensionales Objekt.

Noch mehr Tipps?

Üben, üben, üben. Es gibt eine Theorie, die besagt, dass man 1.000 Stunden üben sollte, wenn man ein Experte auf einem Gebiet werden will, und das idealerweise schon in jungen Jahren. Für die Jüngeren gilt also: Je mehr man übt, desto besser wird man. Aber Zeichnen ist eine großartige Beschäftigung, die man in jedem Alter praktizieren kann.

Die sensationellen Doodles der Teilnehmer:innen von Red Bull Doodle Art findest du hier.

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Red Bull Doodle Art

Where does the mind take you?

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