Mit gewissen Genres verbindet man einen relativ klar definierbaren Lebensabschnitt. Für die Generation, die in den 90er-Jahren geboren wurde, ist Indie- und Alternative-Rock oft mit einer wichtigen Phase der jugendlichen Entwicklung verbunden: der Pubertät. The Strokes, die Arctic Monkeys, Blur, The Libertines, die Pixies, Oasis – mehr oder weniger die Headliner der ersten Frequency-Festivals – haben parallel zu den wichtigen Momenten der Adoleszenz ihre Alben veröffentlicht und somit den Soundtrack des jugendlichen Lebens geprägt.
Diese Zeit ist aber vorbei. Inzwischen dominiert HipHop die Lebensrealität von Jugendlichen, die Indie-Kids von damals bringen inzwischen ihre eigenen Kinder in den Kindergarten. Damit hat Alternative Rock auch ein wenig seine Bedeutung verloren. Das muss aber nicht so sein: Der Dancefloor, auf dem Alex Turner vor mehr als zehn Jahren seine Beobachtungen des Nachtlebens angestellt hat, existiert auch heute noch – aber den Ton geben Bands mit ausschließlich weiblicher Besetzung an.
Wir möchten euch sechs Bands vorstellen, die das Genre Alternative Rock gewissermaßen aus der Pubertät führen. Die Texte und die Musik verzerren die Erwartungshaltungen einer von Männlichkeit dominierten Musikszene und machen Alternative Rock auch heute noch relevant: als emanzipatorische Musikrichtung, die Wertvorstellungen und Identitäten nachhaltig prägt. Genau wie damals.
Camp Cope
In ihrem Song „The Opener“ bringen die australischen Musikerinnen von Camp Cope die aktuelle Situation für weibliche Bands auf den Punkt: „Yeah, just get a female opener that will fill the quota.“ Die Line-Ups von Festivals sind nach wie vor von großteils männlichen Acts dominiert, vor allem im Bereich der Headliner.
Camp Cope sprechen sich in ihren Lyrics für Gleichberechtigung aus und zeigen Missstände auf – und nutzen ihre Konzerte auch, um Initiativen wie #ItTakesOne (eine Kampagne zum Aufzeigen sexueller Belästigung bei Konzerten) zu unterstützen und somit ihre Gigs zu einem sicheren Ort für alle Fans zu machen. Die Band hat 2018 ihr Debütalbum „How to Socialise and Make Friends“ veröffentlicht und geht auch noch auf große Tour im Sommer und im Herbst. Wenn sich die Chance bietet: Lasst euch Camp Cope nicht entgehen!
Dream Wife
„I am not my body, I am somebody.“ Mit Statements wie diesen vom Song „Somebody“ setzt auch das britisch-isländische Trio Dream Wife auf unmissverständliche Ansagen. Ihr selbstbetiteltes Debütalbum, das 2018 veröffentlicht wurde, ist ehrlich, energetisch und setzt das gesamte Repertoire von Gitarrenmelodien und treibenden Schlagzeugbeats, das wir an Alternative Rock so lieben, in ihren ganz eigenen Kontext. Let’s make out or are you too shy?
DIVES
Wie wichtig Initiativen und Vernetzungsmöglichkeiten sind, um neue Projekte voranzutreiben, kann am besten bei der österreichischen Band DIVES beobachtet werden. Die drei Musikerinnen Tamara Leichtfried, Dora de Goederen und Viktoria Kirners haben sich beim pink noise Girls Rock Camp kennengelernt und sind nun als Trio aktiv. In ihrem bisher bekanntesten Song „Tomorrow“ singen sie: „I wonder if there’s something wrong – but I know we’re gonna wake up tomorrow.“ Ein Lichtblick in lichtfernen Zeiten.
Honeyblood
Babes Never Die. Der Name des aktuellen Albums von Honeyblood ist Programm: Im Vergleich zur ersten EP wurde es noch ein rougher, ein wenig mehr Punk. Die Band bezeichnet ihre Musik explizit als Aufruf, das zu tun, worauf man verdammt noch einmal Lust hat. Es geht um das Umdrehen einer kulturellen Vorstellung davon, was es heißt, ein Mädchen zu sein. „Auf Mädchen und Frauen muss nicht aufgepasst werden, das machen sie schon selbst: Mit übermenschlicher Kraft,“ sagt Gitarristin Stina Tweeddale. Und dafür bringt die schottische Band den perfekten Soundtrack mit.
Petal
Petal ist das Projekt der Musikerin Kiley Lotz, die mit wechselnden Besetzungen aus verschiedenen befreundeten Bands spielt. Auf ihrem aktuellen Album „Magic Gone“ befasst sie sich mit persönlichen Gesichten und ihrer eigenen Identität und packt diesen Prozess in zehn Songs, die diese Indie-Songwriting-Magie versprühen und nie wieder aus der Playlist verschwinden wollen. „If you're bored with rock music, then that's because you're lazy, and you're not paying attention,“ sagte sie kürzlich in einem Interview. Und dieses Statement sollte man sich zu Herzen nehmen.
Snail Mail
Die amerikanische Musikerin Lindsey Jordan veröffentlicht ihre Musik unter dem Namen Snail Mail und hat mit ihrem Debütalbum „Lush“ bereits jetzt eines der großartigsten Alben des Jahres veröffentlicht. Die Songs, die man als moderne Coming-of-Age Geschichte einer erst 19-jährigen Musikerin lesen kann, erzählen von den Enttäuschungen und Verwirrungen einer Jugend mit einer musikalisch und textlichen Leichtigkeit, die absolut beeindruckend ist. Wenn so die Zukunft klingt, dann brauchen wir sie sofort.
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