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Juliette Lewis: „Ich nehme meine Vitamintabletten"

Juliette Lewis ist Hollywood- & Rock-Star in Personalunion. Ein Interview über ihr Erfolgsgeheimnis.
Autor: Markus Schwarz
8 min readveröffentlicht am
Juliette And The Licks

Juliette And The Licks

© Getty Images / Mark Venema / WireImage

Filme wie „From Dusk Till Dawn“ oder „Natural Born Killers“ haben sie in den 90er-Jahren berühmt gemacht. Heute steht Juliette Lewis noch immer regelmäßig vor der Kamera (zuletzt u.a. in der Drama-Serie „Secrets and Lies; Anm.), widmet sich aber vor allem ihrer größten Leidenschaft – der Musik.
Aktuell tourt sie mit ihrer Band Juliette and the Licks um den Globus, ihre neue Single „Hello Hero“ belegt gerade Platz 6 der UK Spotify Viral Charts. Wir haben sie im Interview gefragt, wie sie das alles schafft, und warum man sich ihre Red Bull TV Doku „Hard Lovin’ Woman“ auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Hey Juliette. Ich rufe dich gerade von Wien aus an, wo du zuletzt im April eine Show gespielt hast. Wie hat es dir gefallen?
Oh Mann, es war so wild und aufregend. Ich war richtig schockiert, da es meine erste Europatour seit 8 Jahren war und beinahe jedes Konzert ausverkauft war – das ist eigentlich alles, was man sich wünschen kann. Aber Wien ist eine meiner Lieblingsstädte, ich spiele hier immer gute Konzerte und ich liebe die Stadt.

Dann passt es ja gut, dass du im Juni zurückkommst, um ein Festival in Wien zu spielen.

Ja, es scheint so, als ob die Wiener wissen, was gute Musik ist. Mein Ziel in diesem Jahr ist es, kurze Touren zu spielen. Früher war ich oft monatelang unterwegs, was sehr anstrengend war. Jetzt möchte ich meine neue Musik live spielen, darum werde ich das ganze Jahr kleinere Touren auf der ganzen Welt und auch in den USA spielen.

Wie fühlt es sich an mit neuen Songs wieder auf der Bühne zu stehen?

Es fühlt sich so gut an, weil ich das Gefühl habe, genau die Show und die Setlist zu haben, die ich mir immer gewünscht habe. Als ich angefangen habe Musik zu machen, war ich sehr eingeschränkt als Songwriter und habe einfach geschrieben, was ich damals konnte. Das hatte einen Punk-Spirit und war sehr energetisch. Vieles von den neuen Sachen hat mehr Blues, ist rhythmischer und hat Einfluss von Drum’n’Bass, wie zum Beispiel die neue Single „Hello Hero“, die super funky und temperamentvoll ist. In meiner neuen Show gibt es viele Dinge, die sie düsterer und dynamischer machen – es ist nicht mehr nur geradliniger Rock’n’Roll. Die Leute reagieren auch sehr gut darauf, das motiviert mich. Außerdem glaube ich, dass die Leute in Europa gerne Vielfalt mögen, lauter verschiedene Stile und nicht nur ein Genre, das finde ich super.
Du hast davon gesprochen, dass sich dein Stil geändert hat. Wenn man sich die Dokumentation „Hard Lovin’ Woman“ ansieht, dann sieht man das deine Performance auf der Bühne extrem energetisch ist. Ist es schwierig, diese unglaubliche Energie aufrechtzuerhalten, wenn man eine ganze Tour spielen muss?
Ja, stimmt (lacht) – das ist das größte Rätsel in meinem Leben: Energie, wie man sie erhalten und fühlen kann. Also ich nehme auf jeden Fall meine Vitamintabletten und trinke sehr viel Wasser (lacht), aber bei der Show selbst versuche ich ein Set zusammenzustellen, das das richtige Schema hat. Aber ich liebe es auf jeden Fall zu performen. Ich sehe mich ein bisschen wie eine Athletin und ich bin gesund, also gebe ich alles auf der Bühne.

Hast du die Bühne vermisst während der Trennung mit den Licks und nach deiner Solotour?

Ja und ich habe nicht wirklich realisiert, wie sehr ich sie vermisst habe. Deshalb habe ich versucht, wieder eine Band zusammenzustellen und eine Liveshow zu erschaffen. Wenn ich Musik mache, fühlt es sich so an als ob meine ganze Seele zusammenkommen würde und ich fühle mich sehr komplett. Wenn ich keine Musik mache, habe ich das Gefühl, dass etwas fehlt. Aber ich habe die Pause auch gebraucht, um mich selbst als Songwriter zu finden und herauszufinden, welche Musik ich machen möchte. Isabelle Summers, die auch meine neue im Herbst erscheinende EP produziert hat, war sehr wichtig für meinen neuen Sound, der sehr rhythmisch ist.
Die Dokumentation dauert nur 30 Minuten, aber sie transportiert so viel positive Einstellung und Energie und ich habe mich gefragt: Was ist dein Geheimnis, dass du so voll Freude und Aufregung bist?
Wow, das freut mich wirklich sehr. Weißt du, was das Geheimnis ist? Ich denke, dass mir bewusst ist, wie viel die kleinsten Dinge für eine Person bedeuten können. Wenn ich einem Menschen Licht und ein gutes Gefühl geben kann, dann gibt mir das ein gutes Gefühl. Ich kann auch sehr depressiv werden, sehr negativ und ich weiß, wie hart das Leben jeden Tag sein kann. Der Unterschied ist: Mir ist einfach bewusst, wie viel Freude mir andere Menschen geben können. Ich schwöre, ein Lächeln auf der Straße oder jemand, der mir sagt, dass er etwas schätzt, was ich gemacht habe – das hat so viel Wert und manchmal schätzen wir das nicht. Jede einzelne Person, die sich meine Shows ansieht, das ist ein riesiges Geschenk und ich weiß das.

Man fühlt diese Wertschätzung auf jeden Fall.

Danke! Ich muss auch noch dazu sagen: Die Dokumentation wurde in dem ersten Jahr gedreht, seitdem ich meinen Vater verloren habe. Es ist ein sehr spezielles Jahr. Mein ganzes Leben hat sich geändert und ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich für die kleinen Dinge im Leben bin. Das ist die zugleich schmerzliche und schöne Lektion, die ich durch den Verlust meines Vaters gelernt habe, das ist das Abschiedsgeschenk, das er mir gegeben hat. Diese Dokumentation hat mich in diesem Jahr begleitet. Die letzten Jahre habe ich immer mit der Krankheit meines Vaters gekämpft. Jetzt konnte ich alles loslassen – diese Lektionen sind sehr wichtig.
In einem anderen Interview hast du gesagt, dass du diese Lektionen für deine Kunst verwendet hast und um im Leben weiterzumachen, und ich glaube genau dieser Gedanke wird im Kurzfilm transportiert.
Gut. Die Dokumentation ist wirklich sehr speziell, sie kam auf einmal in mein Leben und ich fühlte: Das hat einen Sinn, das sollte so passieren. Als Red Bull sagte, dass sie etwas mit mir machen wollen und Michael Rapaport, den ich seit 20 Jahren kenne und der ein Freund von mir ist, als Regisseur nannten, dachte ich mir: Ah! Das sollte so passieren! Ich bin wirklich zufrieden mit der Arbeit, die er gemacht hat. Beim Schneiden hätte er alles Mögliche erschaffen, in jede verschiedene Richtung gehen können, aber ich mag, dass er viel von dieser Freude und dem Humor eingefangen hat.
In der Dokumentation sagst du, dass du als Kind von Musicals wie „Hair“ angezogen warst. Wann und warum kam der Rock’n’Roll in dein Leben?
The Who und Van Halen waren sehr wichtig. Ich glaube, ich habe zum ersten Mal realisiert, dass ich eine Rocksängerin werden möchte, als ich David Lee Roth im Musikvideo zum Song „Panama“ gesehen habe. Ja, es war David Lee Roth – ich dachte zwar immer über Madonna oder Cyndi Lauper: wow, die sind ziemlich cool – aber David Lee Roth hat mich inspiriert (lacht).
Wie stellst du deine Bands zusammen? Sind es alles Freunde oder suchst du nach den besten musikalischen Skills?
Eine Band zusammenzustellen hängt für mich sehr viel mit Persönlichkeit und zwischenmenschlicher Chemie zusammen, nicht mit Talent oder wie die Musiker spielen. Dieses Jahr war sehr lustig: Alle Musiker der Band, mit der ich gerade auf Tour war, hatten verschiedene Projekte. Und meine nächste Band wird etwas anders aussehen, aber der Bassist bleibt der gleiche. Meine Reunion Show habe ich mit der Originalbesetzung der Licks gespielt, mit denen ich drei Jahre lang getourt bin. Jetzt habe ich noch Juan Alderete von The Mars Volta als Bassist und Brad Wilk, den Schlagzeuger von Rage Against the Machine. Das ist für mich eine weitere Möglichkeit, mit anderen unglaublichen Menschen zusammenzuarbeiten und zu sehen, wie man gemeinsam einen Sound erschaffen kann. Das ist die Rhythmusabteilung und dann habe ich noch den Gitarristen Nick Maybury und meinen alten Gitarristen Todd Morse.
Du beschreibst das Gefühl, auf der Bühne zu stehen als einen sehr persönlichen, sogar spirituellen Moment. Ist jede Show einzigartig oder sind die Shows auf einer Tour ähnlich?
Jede Show ist einzigartig aufgrund der Venue. Orte haben eine gewisse Magie, weil jede Konzerthalle den Spirit der ganzen Energie, die dort schon geflossen ist, in sich vereint. Das Paradiso in Amsterdam zum Beispiel, wo schon Iggy Pop und tausende andere Bands gespielt haben, hat einen ganz eigenen Spirit. Dieser Spirit verbindet sich dann mit der Stimmung meiner Show und den Zuschauern, die ihre ganz eigene Persönlichkeit haben. Die Show, die ich in Hamburg gespielt habe, war absolut unglaublich, weil alle so laut und außer sich waren; das Gleiche ist in London passiert. Also hat jede Show eine ganz eigene Stimmung. Manche Venues sind super komisch und heruntergekommen, aber die Energie der Menschen kann sie zum Explodieren bringen. Die Shows sind richtig wild.