Ein Ziel, das für viel Bergsteiger ihr Leben bedeutet - einmal auf dem Gipfel des höchsten Berges der Welt zu stehen. 8850 Meter misst dieser Gigant im Himalaja und im Durchschnitt verbringen die Bergsteiger etwa 60 Tage hier, um auf den Gipfel zu gelangen. Die Hauptsaison für die Besteigung ist April und Mai, da dann die Bedingungen am besten sind. Die Wintermonate sind von sehr niedrigen Temperaturen und extreme Winden bestimmt und in den Sommermonaten, in der Monsunzeit, machen heftige Gewitter den Aufstieg fast unmöglich.
Die meisten Trips dauern „von Haustür zum Gipfel“ etwa sechs bis acht Wochen – man fliegt nach Katmandu, organisiert dort das Visum und all die Vorräte und macht sich dann per Flugzeug oder Helikopter auf den Weg nach Lukla (2860 über dem Meeresspiegel), von dort aus geht es zum ersten Base Camp. Von Lukla aus dauert es etwa ein bis zwei Wochen zum Everest South Base Camp in Nepal, da die Akklimatisierung langsam erfolgen soll. Das North Base Camp liegt auf der der anderen Seite des Everest in Tibet – von dort aus führt die Northeast Ridge Standard Route auf den Gipfel. Diese ist weniger besucht, klettertechnisch anspruchsvoller außerdem gibt es dort keine Möglichkeit Helikopter-Bergungen durchzuführen. Wir wollen uns auf den Südanstieg der beiden Erstbegeher Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgay (1953) über Nepal konzentrieren und führen dich virtuell auf den Gipfel.
South Base Camp Nepal (5300 m)
Im Base Camp herrscht in der Hauptsaison reges Treiben – Satellitentelefone klingeln, es wird in allen Weltsprachen diskutiert, geplaudert, gelacht, Helikopter statten dem Camp immer wieder Besuche ab und die Mischung aus Bergsteigern, Sherpas, Journalisten, Ärzten und Wissenschaftlern lässt hier eine sehr emotionale Stimmung entstehen. Hier machst du dich zum letzten Mal mit deinem Equipment vertraut, wäscht dein Gewand in eisigen, teils zugefrorenen Seen und beeilst dich, dein Essen so lange es warm ist, in deinen Mund zu stopfen. 5300 Meter ist eine Höhe, die man zu spüren bekommen und in der die Lawinen, die hier täglich ins Tal rasen, den Adrenalinspiegel Wallen lassen. In diesem kleinen Zeltdorf treffen Hoffnung, Angst, Frustration und Freude ungebremst aufeinander.
Am 25. April 2015 wurde Nepal von einem 7.8 Momenten-Magnituden-Skala Erdbeben erschüttert, das dem Land und seinen Menschen großen Schaden zugefügt hat. Auch das South Base Camp blieb nicht verschont – eine Lawine vom Mount Pumori fegte durch das Camp und tötete 19 Menschen. Nur gut zwei Wochen später zerstörte ein zweites Beben viele der Wege, die zum Base Camp führten.
Khumbu Icefall (5500 m - 6100 m)
Der Khumbu Eisbruch ist die Geisterfahrt der Everest Besteigung, hier kommt man nicht zur Ruhe, weil sich der Gletscher stündlich fünf Zentimeter bewegt und überall Gefahren lauern! In diesem „Fluss aus Eis“ können plötzlich Gletscherspalten entstehen, die alles verschlucken, Türme aus Gletschereis (Seracs) abbrechen und alles, was nicht weit genug entfernt ist unter sich begraben und auch Lawinen, die von der Westschulter des Everest abgehen, bergen große Gefahr. Die sogenannten „icefall doctors“ sichern hier jedes Jahr einen Weg mit Seilen und Leitern, um die Bergsteiger so sicher wie möglich durch dieses Tal zu leiten, trotzdem bleibt dieser Abschnitt ein Spiel mit dem Tod, das man so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte.
Wichtig ist, so früh wie möglich in den Eisfall einzusteigen, da mit der Wärme auch die Häufigkeit der Lawinen und Abbrüche steigt – im Normalfall verlässt man das Base Camp zwischen vier und fünf Uhr morgens. Das nächste Ziel ist Camp I auf etwa 6100 Metern, doch der Weg ist weit und es kommt öfters vor, dass man den Khumbu Eisfall nicht beim ersten Mal hinter sich lassen kann.
Camp I, Valley of Silence (6100 m - 6400 m)
Endlose Schneefelder, tiefe Gletscherspalten und hohe Felswände prägen das Western Cwm (Kuhm gesprochen), das auch als „Valley of Silence“ bekannt ist und südlich des Everst, westlich des Lhotse und nördlich des Nuptse liegt. In der Nacht hört man hier, wie sich der Gletscher bewegt und wie sich Gletscherspalten öffnen und schließen – trotz der Kopfschmerzen, die in dieser Höhe zuschlagen können, hat man noch andere Sorgen und hofft, dass sein Zelt in der Nacht nicht verschluckt wird. Tagsüber kann es, durch die Reflexion des Sonnenlichtes an den vielen Eis- und Schneeflächen, oft ungewöhnlich heiß werden, dafür fallen die Temperaturen nachts wieder tief unter den Nullpunkt. Das schöne hier: Geht man ein paar Schritte um die Ecke, kann man den ersten Blick auf den Mount Everest erhaschen. Sicherheitshalber sollte man diesen Teil des Aufstiegs auch nur verbunden mit den Fixseilen hinter sich bringen, weil hier überall Gletscherspalten versteckt liegen.
Camp II (6600 m)
Nach der schier endlosen Wanderung durch das Tal des Schweigens erreicht man am Fuße der eisigen Lhotse Wand das Lager 2. Dieser Platz raubt einem den Atem und zwar nicht nur, weil man in dieser Höhe ständig nach Sauerstoff ringt, sondern weil es hier extrem schön ist. Die Wolkenformationen ändern sich im Minutentakt und der Ausblick über die gesamte Himalayaregion lässt das Herz höher schlagen. Hier hat man die Chance noch ein paar gut zubereitete Mahlzeiten zu sich zu nehmen, bevor der wirklich entbehrungsreiche Teil der Expedition startet. Auch wenn man müde ist, sollte man die 400 Höhenmeter zum beeindruckenden Lhotse Face auf sich nehmen – das hilft bei der Akklimatisation und löst vielleicht ein paar Probleme, mit denen man sich in dieser Höhe konfrontiert sieht.
Lhotse Wall (6800m)
Die Westflanke des Lhotse, des vierthöchsten Berges der Welt, ist eine 1200 Meter hohe, bis zu 80 Grad steile Eiswand, die man auf dieser Route zum Gipfel überwinden muss und die an den Kräften der Bergsteiger zehrt. Jedes Aushängen aus dem Fixseil wird im Angesicht der Anstrengungen und psychischen Belastung zum Risiko. Ein Fehler und es geht rasant nach unten und das bedeutet Todesgefahr. Steigklemmen sind hier eine gute Idee!
Der fünf- bis achtstündige Aufstieg ist technisch nicht sehr anspruchsvoll, aber extrem kräftezehrend und vor allem wetterabhängig. Trockenheit und Kälte bedeutet hartes Eis, wofür man sehr gute Steigeisen braucht, mehr Schnee macht die Aufgabe ein wenig einfacher, erhöht aber das Risiko von Lawinenabgängen. Was hier außerdem leicht passieren kann sind Staus. Viele Menschen wollen nach oben und viele nach unten, das zehrt an den Nerven, vor allem weil es hier nahezu unmöglich und äußerst gefährlich ist zu überholen.
Camp III (7300 m)
Hat man die Lhotse Wand überstanden, wird in möglichst flachem Terrain Camp Nummer 3 in etwa 7150 Metern aufgeschlagen – hier kann man noch einmal „rasten“ bevor es über das Yellow Band (Kalkstein) und die Geneva Spur in die Todeszone geht. Dieser Teil ist nicht außergewöhnlich steil, die große Höhe zehrt aber extrem an der Konzentrationsfähigkeit und die ist wichtig, wenn man sichere Schritte setzen möchte. Hier fangen die meisten Bergsteiger an Sauerstoff zu verwenden Vorsicht ist vor Steinschlägen, die oft von anderen Bergsteigern ausgelöst werden, geboten. Nach vier bis etwa acht Stunden hat man es geschafft und man darf es sich für ein paar Stunden in der Todeszone gemütlich machen. Von hier aus hat man den perfekten Blick auf den Gipfel!
Camp IV - Die Todeszone (8000 m)
Camp 4 befindet sich auf etwa 8000 Metern, von hier oben kommt einem alle surreal vor und die Aufenthaltszeit in dieser Höhe ist auf höchstens 48 Stunden limitiert, länger schafft es der Körper nicht. Der Körper verbraucht mehr O2 als er aufnehmen kann, das heißt man leidet unter chronischem Sauerstoffmangel, der die sogenannte Höhenkrankheit hervor ruft. Das Herz verlangt nach Sauerstoff und pumpt immer mehr Blut in die Arterien, bis die Kapillarwände reißen – man sollte den Aufenthalt hier also möglichst kurz halten. In dieser Höhe befindet man sich in einer anderen Welt, trotzdem ist es schwer diesen magischen Ort zu genießen. Man fühlt sich schwach, man friert, der Kopf pocht, man bekommt keinen Schlaf, jede Bewegung kostet Unmengen an Kraft und der Gedanke nach nur wenigen Stunden Rast den Aufstieg zum Gipfel anzutreten löst Panik aus. Kaum jemand ist bereit dafür und der Wille wird hier auf eine harte Probe gestellt - aber hat man es einmal so weit geschafft, muss man es versuchen.
The Summit (8850 m)
Kurz vor Mitternacht geht es dann los, der längste und wahrscheinlich anstrengendste Tage deines Lebens beginnt! Jeder Bergsteiger ist nun stumm mit seinem eigenen Sherpa unterwegs und gleich geht es vom South Col steil in Richtung „Balcony“ auf 8400 Meter. Schon nach wenigen Metern drehen die ersten um. Der Körper läuft nun auf Adrenalin und der Kopf kann es kaum erwarten bis die ersten Sonnenstrahlen den Tag beginnen lassen und ein wenig Hoffnung bringen. Schritt für Schritt geht es nach oben, auf dem Balkon darf man kurz rasten und die Sauerstoffflasche wechseln. Langsam beginnt man den Aufstieg ein wenig zu genießen und so etwas wie Euphorie und Hoffnung, dass man es fast geschafft hat, breiten sich aus. Nun hat man den Südgipfel erreicht, nur noch gnadenlose 100 Höhenmeter trennen einen hier vom Gipfel des höchsten Berges der Welt.
Doch so einfach es klingt, die „Knife Ridge“ und liegt noch vor einem und dieser Grat ist wirklich furchteinflößend – vor allem, weil er auch die letzte Hürde, den berüchtigten „Hillary Step“ beheimatet. So makaber es klingt, Leichen dienen hier als Referenzpunkte: „Um neun Uhr musst du bei „Green Boots“ (die „berühmte“ Leiche von Tsewang Paljor) sein, sonst kehren wir um “, sagt der Expeditionsleiter.
Der Hillary Step ist eine nahezu senkrechte Wand etwa hundert Meter unter dem Gipfel, die die klettertechnisch größte Probe darstellt und sich als Nadelöhr entpuppt, wenn hier viele Menschen unterwegs sind. Mit letzter Kraft hieven sich die Bergsteiger hier über die Stufe, ist diese Anstrengung geschafft, ist es wirklich nicht mehr weit und vielen fällt eine Last von den Schultern.
Es gibt 4469 Menschen auf der ganzen Welt die diesen Berg erklommen haben, doch mit dem Aufstieg ist es nicht getan. Auch nach unten muss man und genau das ist hier eine weitere nahezu unmögliche Aufgabe. Völlig ausgelaugt, psychisch kaum zurechnungsfähig macht man sich an den Abstieg und muss hoffen, nach dem Gipfelerfolg zu Hause auch die Geschichten erzählen und den Erfolg genießen zu können.