Music

„Gedisst wurde schon im Mittelalter“

Vom Minnegesang zum Gangsta-Rap
Autor: Marlene Krug
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A schneidigs Battle

A schneidigs Battle

© Red Bull Content Pool

Warum bewegen wir uns zum Beat, feiern „sicke Droplines“ und fiebern höchst emotional mit, wenn Mütter in diversen Sprachen gedissed werden?

Gesprochene Verse, die Kopfkino erzeugen

Durch Musik lassen sich bildliche Gedankenbezüge zu eigenen Erfahrungen herstellen. Ein toller Grund sich mit der Wechselwirkung von Sprache und musikalischen Klängen zu befassen. Gehen wir der Frage auf den Grund, warum ich sofort in der Zeitmaschine sitze und meine Stirn nach Pupertätspickel abtaste, sobald ich nur an 1 „Hard knock life“ denke.

„Was sich reimt, ist gut“ - wusste schon Pumuckl!

Sprechgesang ist durch das Zusammenspiel von Melodie und Wort überzeugend und zugleich einprägsamer. Das gesungene Wort bleibt länger im Gedächtnis und komplexen Wortfolgen, die von einer Melodie unterstützt werden, kann besser gefolgt werden. Diese Methode der Verständigung wird in Gottesdiensten, Predigten und vom Wu-Tang Clan schon immer genutzt.
Wie auch sonst sollte sich ein „Nicht-West-Coastler“ die schwierigen „Ryhmelines“ merken und aus dem „Effeff“ wiedergeben können?
Sprechgesang, Battle-Ryhmes und melodisches Gedisse funktioniert damals wie heute!
Die mittelalterliche Reimkunst aka. der Minnegesang verlieh der höfischen Epik mit sorgsam gewählten Vokabeln Ausdruck. Es wurde rhythmisch parodiert und denunziert, oft auch mit erotisierenden Tendenzen.

„Walther battled Reinmar“

Zur damaligen Zeit (ca. 12 Jahrhundert) verfasste Walther von der Vogelweide einen deftigen Diss für Reinmar den Alten. Dabei achtete er sicher penibel auf den Reim, denn wenn gedisst wurde, dann mit Nachdruck:
„Niemand würde stören, Wenn er ganz verschwunden wär'! Die nicht hergehören, Die vermisst doch niemand sehr! Ach spräch er endlich wie ein kluger Mann: "Erlaubt mir, einfach fortzugeh'n!" Das stünd dem wohlerzog'nen Herrn gut an.“
Die Regeln haben sich seit damals nicht groß verändert, das Vokabular jedoch sehr. Recht eindrucksvoll ist der Vergleich mit der 20. Jahrhundert-Version von Eins Zwo:
"Und er so Rap ist doch nur ne Mode-Droge So ne Berg- und Talfahrt So ne Toblerone. Dreh nen Clip mit zehn Bitches oben ohne Und halt dazu ’n Paar homophobe Monologe"

„Host an Reim?“

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich im alpenländischen Raum eine ganz spezielle Form des vierzeiligen Reimes – das „Gstanzln“. Unterhaltung, Konfliktaustragung und Liebeswerbung waren auch für die Großteils Bayrisch-Österreichische Crowd die interessantesten Thematiken.
Die begleitende Melodie des Gstanzl ist kein dröhnender Beat oder eine fein gezupfte Laute, sondern ein anständiger Ländler, Steirer oder Boarischer. Passt ja auch irgendwie besser ins Wirtshaus, oder?
Die Art der Darbringung ist zwar unterschiedlich, die Thematik jedoch fast immer gleich. Liebe, Lust, Status und Stolz werden in rhythmischen Gereimtheiten aufgefasst. Der Klang verbindet und wirft ein breites Spektrum an Emotion aller Art auf, denn Melodie und Rhythmus beeinflusst und beschäftigt uns alle – Bewusst oder unbewusst; kein Ausweg!
Wunderschön ist dann natürlich die Möglichkeit sich ohne große „Körperlichkeiten“ in dieser Disziplin battlen zu können. Gewinner ist der mit der besten Punchline, die zwar auch weh tun kann, aber keine blauen Flecken oder gebrochenen Knochen mit sich bringt.