Nach vielen Jahren der Vorbereitung in Form von Mixtapes und Sampler-Beiträgen servierte der Landstraße-Repräsentant Svaba Ortak Ende März sein erstes offizielles Studioalbum „Eva & Adam“ – ein Album, das nicht nur künstlerisch überzeugen kann: Auch kommerziell ist „Eva & Adam“ eine erste Visitenkarte, fällt mit Platz 4 in den österreichischen Albumcharts das Ergebnis schließlich mehr als amtlich aus. Doch das ist für Svaba Ortak nur sekundär, verfolgte er mit dem Album ein ganz anderes Ziel.
Überpünktlich erscheint Svaba Ortak in der abgemachten Interviewlokalität, ein Atelier in seinem Heimatbezirk Landstraße. In den Hände hält der hünenhafte Rapper, gekleidet in einem weißen Lacoste-Pullover mit dem Schriftzug "Un Crocodile" und an den Füßen vom Straßenstaub eingefärbte weiße Air Max 95, zwei Papiertragetaschen. Vor dem heutigen Interview war er schnell neue Kleidung einkaufen, lässt er wissen. Begeistert zieht er aus einer der Taschen ein navyblaues Shirt mit „Novak Djoković“ als Aufdruck. Svaba ist fasziniert und erinnert an Fußballfans, wenn sie das neue Trikot ihres Lieblingsteams das erste Mal überziehen können. „Djoković, so geil“, so sein lakonischer Kommentar.
Der Grund seiner guten Laune ist aber nicht nur der Einkaufserfolg. Das Grinsen ist so breit, weil gerade erst die neuen Chartplatzierungen bekanntgegeben wurden. "Eva & Adam", sein großes Debütalbum, landete auf Platz 4 in den österreichischen Albumcharts, zwischen Roland Kaiser und den Toten Hosen. „Das packt hier gar keiner“, sagt Svaba Ortak. Ein Erfolg, der nicht unwichtig ist. Immerhin lastete einiger Druck auf dem Rapper, der sich für sein Debüt reichlich Zeit gelassen hat.
Svaba stoppt kein Risiko
In der Wiener Rapszene ist Svaba Ortak seit Anbruch dieses Jahrzehnts aktiv. Als Aushängeschild des Eastblok-Kollektivs konnte er sich vor allem durch energiegeladene Live-Shows einen Namen machen. Zwischenzeitlich ging er nach Frankfurt, es ergaben sich Kontakte zu anderen Deutschrappern. Mit "Enter Tha Dragon" setzte er 2016 ein Ausrufezeichen in Form einer EP, die auch in Deutschland Anklang fand. Danach folgte die Rückkehr nach Wien, wo „Eva & Adam“ seine Form annahm. Ein Album, auf das er hart hingearbeitet hat, wie er betont. Und eines, auf dem er seine musikalischen Vorstellungen genau umsetzen konnte.
Diese waren alles andere als frei von Risiken. Der Versuch, ein Album als musikalische Reise zu konzipieren, in der verschiedenen HipHop-Stationen abgegrast werden, ist gewagt. Ein bisschen G-Funk, viele Ethno-Beats und trappige Ausflügen mit Autotune miteinander auf einer Platte zu kombinieren, das kann ganz schnell in die üble Richtung des Unentschlossenen abdriften. Diesen Eindruck hinterlässt "Eva & Adam" nicht. „Manche haben gesagt: Svaba macht jetzt Autotune, der springt auf einen Zug auf. Aber das stimmt nicht, ich habe es anders gemacht. Ich habe Autotune für Balladen verwendet, für Songs, mit denen man sich identifizieren kann. Das ist der große Unterschied“, stellt Svaba Ortak klar, der sich höchst erfreut über die positiven Reaktionen von Kritikern und Zuhörern zeigt. Auf "Eva & Adam" wollte er seine Skills in allen Disziplinen zeigen. Das gelang, präsentiert er sich auf dem Album als ein „Meister aller Klassen“, um es in Anlehnung an einen Martial-Arts-Film von Jackie Chan zu sagen.
Vom Südbahnhof zum Westbahnhof
Doch trotz variablen Flows und durchdachten Punchlines: Am stärksten wirken auf dem Album die persönlichen Texte, mit denen der Wiener tief blicken lässt und nahbar wird. Besonders das Song-Duo "Südbahnhof" und "Westbahnhof" ist geprägt von imposantem Storytelling und pointierten Sprachbildern. In "Südbahnhof" erzählt Svaba Ortak die Geschichte seiner Eltern. Die Lyrics leben von der dichten Darstellung der Lebensabschnitte, frei von Pathos, aber mit viel Schmerz in jeder Zeile. Der dramaturgische Höhepunkt liegt dann passenderweise in der Hook, die sich mit der Zeile „Für Baustelle brauchst du keine Sprache sondern Hände“ ins Gedächtnis einbrennt. Wörter, die sitzen.
Damit trifft er den Lebensnerv einer ganzen Generation an Gastarbeiterkindern, die in Svaba Ortak ein Sprachrohr sehen. „Die Reaktionen in der Diaspora sind überwältigend, weil der Song einfach die Lebenssituation von so vielen widerspiegelt. Wenn du deine Geschichte erzählst und sich jemand anderer reinfühlen kann, dann weißt du, dass du etwas Wichtiges erzählt hast“, so Svaba Ortak, dessen Sprachfluss mit einer Gewalt aufschlägt, die an die Bewegung des Wassers in der montenegrinischen Tara-Schlucht erinnert.
Für Baustelle brauchst du keine Sprache sondern Hände
Aber am wichtigsten waren ihm die Reaktionen seiner Eltern, denen er das Album widmete. Die zeigten sich begeistert von dem musikalischen Werk ihres Sohns. „Sie waren komplett erstaunt“, fährt Svaba fort und betont jedes Wort auf einnehmende Weise, so dass kein Zweifel an der Bedeutung des Gesagten aufkommt. Svaba Ortak, so wird schnell klar, verspürt gegenwärtig das Gefühl, seinen Eltern etwas zurückgegeben zu haben. Ein Dankeschön für den unermüdlichen Einsatz, für alle Strapazen, die sie für ihren Sohn auf sich genommen haben.
Wissen ist Macht
Erzählt "Südbahnhof" die Geschichte der Eltern, steht "Westbahnhof" ganz im Zeichen der eigenen Biografie. Der Song ist eine Hommage an den Track "Svedok (Saradnik)“ der Belgrader Polit-Rapcrew Beogradski Sindikat, die diesen 2010 auf dem Album "Diskretni Heroji" veröffentlichten. Für Svaba Ortak ist "Westbahnhof" dadurch eine Herzensangelegenheit, sind Beogradski Sindikat Jugendikonen, die einen maßgeblichen Einfluss auf das eigene Schaffen ausüben. Mit Shef Sale (auf "Ko Je Ko") ist sogar ein Rapper aus den Reihen von Beogradski Sindikat auf dem Album als Feature vertreten.
Soundtechnisch erinnern auf „Eva & Adam“ einige der Kompositionen, die Svaba Ortak gemeinsam mit Doni Balkan und PMC Eastblok anfertigte, an die Platten von Beogradski Sindikat. Das liegt primär an die harmonische Einbettung traditioneller Folklore- Elemente. Wie auf "Serben in Wien III" ein Sample aus Đorđije Koprivicas „Jelena“, ein altes serbisches Volkslied, verwendet wird, weckt Reminiszenzen an die besten Songs der Belgrader Band. Das ist bei Svaba Ortak kein Zufall, sondern das Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit der serbischen Kultur.
Ein Bereich, in dem Svaba Ortak über enormes Wissen verfügt. Das zeigt nicht zuletzt die "Serben in Wien"-Reihe. Angesprochen darauf, stellt er klar, dass er über die Biografien jeder einzelnen der genannten Personen genau Bescheid weiß. Ganz egal, ob es sich dabei um Vuk Karadžić, den Reformer der serbischen Schriftsprache, oder um Lazar Hrebeljanović, einen Fürsten und Märtyer der serbisch-orthodoxen Kirche, handelt. Er musste nichts nachrecherchieren, auf eine solche Unterstellung reagiert er erbost. Das meiste davon hat er von seinem Vater, einem Professor, gelernt. Ein Wissen, das ihm besonders wichtig ist und bei dem er die Notwendigkeit verspürt, dieses weitergeben zu müssen.
Zwischen Modenapark und Ostrog
Svaba Ortak ist nicht nur ein stolzer Wiener, der die Skyline der Stadt auf seiner Brust trägt. In dieser Brust schlagen zwei Herzen, ist er ebenso eng mit dem Herkunftsland seiner Eltern verbunden. Das zeigt er nicht nur in seiner Musik, sondern auch auf Instagram. Keines seiner Fotos kommt ohne kyrillische Schriftzeichen in der Caption aus. Warum? „Ich will damit den Leuten in der Diaspora signalisieren, dass sie die Sprache ihrer Eltern lernen sollen“, lautet seine Begründung, während er die Bitte des Fotografen, seine Kette ablichten zu dürfen, verneint. Die öffentliche Zurschaustellung dieses religiösen Relikts sei bei Orthodoxen schließlich lediglich Geistlichen und Heiligen vorbehalten.
Eine Situation, die einiges über Svaba aussagt. Für Svaba Ortak ist die Kreuzkette kein Modeaccessoire. Erst kürzlich habe er jene bekommen. Als er in Montenegro war, im Kloster Ostrog. Dort wurde er auch getauft, auf seinem Rücken hat er den beeindruckenden Bau als Tattoo verewigt. Jedes Jahr besucht er das Kloster und zündet dort Kerzen für verstorbene Verwandte an. Das sei ihm, wie Religion an sich, außerordentlich wichtig.
Guslare, die ersten Rapper
Wichtig ist Svaba Ortak auch ein ganz spezielles Musikinstrument, das ebenfalls auf seinem Rücken zu sehen ist: die Langhalslaute Gusle, gespielt von Heldensängern mit jahrhundertelanger Tradition, den Guslaren. In großen Teilen des Balkans, aber vor allem in Montenegro, genießen jene ein herausragendes Renommee. Für Svaba waren die Guslaren, dank ihrer lyrischen Fertigkeiten, gar die ersten Rapper. Als Svaba Ortak eine Gusle von einem Heiligen bekam, war für ihn klar: Er muss dieses Instrument erlernen. Künftig soll die Gusle sogar auf der Bühne zum Einsatz kommen.
Svaba Ortak hat eine Verbundenheit zur serbischen Kultur, die nicht jeder verstehen will. In der Vergangenheit war er bereits Vorwürfen des Nationalismus ausgesetzt, denen er stets glaubhaft und überzeugend begegnete. Auch heute finden sich Leute in den Kommentarfeldern seiner Videos, die provozieren wollen und Svaba Ortak absichtlich missverstehen. „Das sind oberflächliche Leute, die so etwas schreiben. Die wissen null über mich. Ich will über solche Leute gar nicht urteilen, das lässt mich kalt“, stellt Svaba klar. Es sind andere Reaktionen, die ihm etwas bedeuten. Vor allem jene seiner Eltern, für die er das alles macht. Die sollen stolz auf ihren Sohn sein. Wer "Eva & Adam" hört, kann sich gar nichts anderes vorstellen.
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