Shurjoka am Streamen
© Jeannine Weiß - Sandman Photography
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Kein Urlaub, keine Starthilfe: Streamerin Shurjoka hat es dennoch geschafft

Pia ist 20 Jahre alt und streamt seit drei Jahren. Ihre Eltern fanden die Idee Streamerin zu werden nie gut, trotzdem investiert die junge Grazerin alles in ihren Traumberuf. Ihr Plan geht auf.
Autor: Alexander Amon
8 min readPublished on
Knapp 50.000 Follower hat Shurjoka aktuell auf Twitch. Den Nickname hat sie aus ihrer Zeit im Rollenspiel Runescape, wo sie sich aus „irgendeinem schwindligen Namensgenerator“ das Wort Jäger auf Japanisch hat vorschlagen lassen. Auch wenn sie später draufgekommen ist, dass das Wort nicht existiert (Anm.: Jäger auf Japanisch heißt Hantā)., hat sie den Namen in ihrem Gaming-Umfeld behalten.
Wir haben mit der jungen Frau über ihren schweren Start in die Szene gesprochen, über die Relevanz von Communities und was sie in ihren wenigen freien Tagen so macht.
Wie bist du zum Streamen gekommen?
Ich bin da irgendwie reingerutscht. Mit 17 habe ich damit angefangen. Hobbymäßig, weil ich ja noch in der Schule war. Mir war nicht bewusst, dass man mit diesem Hobby auch Geld verdienen kann – mir hat es einfach Spaß gemacht. Twitch habe ich dann als Knotenpunkt erkannt, um mit anderen Leuten, die die selben Interessen haben, zu kommunizieren.
Ich bin früh von zuhause ausgezogen, unter anderem weil meine Eltern nicht wirklich hinter diesem Hobby bzw. Beruf gestanden haben. Sie wollten, wie wohl die meisten Eltern, dass ich etwas „Gscheites“ lern. Aber in dem Moment, wo ich einfach auch schon eine Community hatte, musste ich den Moment nutzen und Risiko gehen. Also bin ich ausgezogen und stehe jetzt auf eigenen Beinen. Darauf bin ich stolz.
Jetzt streame ich pro Woche rund 40-60 Stunden. Es geht sich nicht immer aus, aber ich bin da mittlerweile sehr konsequent. Muss man auch sein, um die eigene Community zu halten. Es ist tatsächlich mein Job geworden.
Was sagt dein Freundeskreis zu deinem Hobby?
Jemanden zu erklären was ich mache, ist schwierig. Speziell älteren Semestern. Mein Freundeskreis hat sich da etwas gespalten. Die eine Hälfte kenne ich ohnehin übers Streamen bzw. Spielen, die sind froh, dass da jemand fast immer online ist. Meine Freunde aus dem Real Life finden das nicht besonders, weil ich auch viele Partys und Treffen absage. Ich streame oft, wenn andere gerade aus der Arbeit oder von der Uni heimkommen.
Mein Glück ist, dass sie mich nicht vergessen und selbst wenn ich mich vier Wochen nicht melde und dann plötzlich doch bei einer Party auftauche, dann freuen sie sich trotzdem. Es ist gut, ein Gleichgewicht zur Online-Welt zu haben. Leute, die nichts damit zu tun haben. So gewinnt man die manchmal nötige Distanz, um sich Pausen zu gönnen.
Je mehr Zeit du investierst, desto mehr KANN dabei rauskommen – muss aber nicht.
Zuseher kennen Pias Hunde auch aus dem Stream

Zuseher kennen Pias Hunde auch aus dem Stream

© (c) Jeannine Weiß - Sandman Photography

Deine Streaming-Zeiten sind also eher Nachmittags. Wie lang läuft das dann und wie schaffst du es, immer gut drauf zu sein?
Ich habe tatsächlich einen Streaming-Plan, aber der ist nur eine Orientierung. Meist geh ich am frühen Nachmittag online und spiele dann bis ein oder zwei Uhr Früh. Meistens bin ich wirklich gut drauf, weil ich eine nette Community habe und mir mein Job Spaß macht. Wenn ich dann wirklich mal nicht gut drauf bin oder in einem kompetitiven Spiel richtig fertig gemacht werde, kann es schon sein, dass ich danach offline gehe. Ich verabschiede mich natürlich vorher. Kommunikation ist extrem wichtig. Du musst erklären, warum du Dinge tust. Alles andere ist unfair deiner Community gegenüber.
Wie wird man erfolgreicher Streamer?
Eine Freundin hat mir letztens einen guten Vergleich gebracht. Streamen kann man gut mit Sport vergleichen. Je mehr Zeit du investierst, desto mehr KANN dabei rauskommen – muss aber nicht. Der Vorteil ist, wie bei mir damals, wenn du viel Zeit hast und einfach mal drauflos probieren kannst. Mit wenig Zeit, neben einem 40h Job wirst du weder Profi in einem Sport noch erfolgreicher Streamer.
Gönnst du dir freie Tage?
Mittlerweile mehr. Ich habe mehrere Jahre mit nur ganz wenigen Urlaubstagen durchgemacht. Man glaubt es vielleicht nicht, aber man kann auch bei diesem Job Burnout bekommen. Du bist auf allen Kanälen online, ständig erreichbar. Das geht an die Substanz. Letztes Jahr hab ich dann drei Wochen Pause gemacht. Alles abgedreht. Das war nötig.
Wie vorhin gesagt. Ich habe es meiner Community erklärt und sie waren nach den drei Wochen wieder da. Das war super. Im Idealfall entschuldigst du dich für solche Entscheidungen auch nicht. Unsicherheit spüren die falschen Leute online. Da erntest du nur Häme und unschöne Kommentare. Nur wenn du sicher auftrittst, dann kannst du online überleben.
Hobbyfußballer, die es nicht in die Bundesliga schaffen und nur vor 50 Leuten spielen, fragt auch keiner, warum sie das noch weiter tun.
Aktuell spielt Shurjoka auch gern mal Ori

Aktuell spielt Shurjoka auch gern mal Ori

© Shurjoka

Du bespielst in letzter Zeit vor allem den IRL-Channel, der auch auf Twitch selbst fast immer unter den Top 5 ist. Was macht den Reiz für Streamer und Zuschauer an diesem Channel aus?
Ich bin Variety-Streamerin, d.h. ich spiel verschiedene Games und spezialisiere mich nicht auf eines. Wenn du kein Pro-Gamer bist oder der unterhaltsamste Mensch der Welt, dann machen diese Einzelkanäle wenig Sinn. Für mich eignet sich deshalb der IRL-Channel. Man lernt sich hier als Community schnell kennen, weil man nicht primär über Spiele spricht, sondern über alles Mögliche. Ich starte hier auch gerne Mal Diskussionsrunden zum neuesten Marvel-Film oder zu Problemen in der Schule.
Jeder kann mitdiskutieren und dadurch entsteht schnell dieses Community-Gefühl. Wenn ich dann ein Spiel aussuche, verliere ich manche Viewer und viele bleiben dran. Das Schöne ist, fast alle kommen zurück, um bei der nächsten Diskussion wieder dabei zu sein.
Wie wichtig sind hohe Zuschauerzahlen für dich? Würdest du auch mit 40 Leuten im Kanal weitermachen? Was ist die Schmerzgrenze?
Wer mit Twitch anfängt, um Geld zu verdienen, macht etwas falsch. In einer anderen Branche geht es vielleicht schneller – die Konkurrenz hier ist massiv. Man ist darauf angewiesen, dass du Zuschauer hast – eine bestimmte Anzahl – aber ich mache diesen Job aus Leidenschaft. Weniger Zuschauer würden weh tun, aber ich bin auch on, wenn weniger Leute zusehen. Oft blende ich sogar die Zuschauerzahl aus, damit ich mich davon nicht beeinflussen lasse. Hobbyfußballer, die es nicht in die Bundesliga schaffen und nur vor 50 Leuten spielen, fragt auch keiner, warum sie das noch weiter tun.
Zickt man sich mit anderen StreamerInnen? Gibt es Konkurrenzdenken?
Konkurrenzdenken auf Twitch gibt es mit Sicherheit mehr als auf YT. Der Unterschied ist, du kannst 20 YT aktiv schauen, aber du kannst nicht 20 Streamer aktiv begleiten. Die meisten YT machen 5-10 Vids pro Woche, das kannst du gut schauen. Auf YT bekommst du die Kohle auch nicht direkt von der Community. Auf Twitch bist du 10 Stunden und brauchst die aktive Community über diesen Zeitraum. Da kannst du nicht gleichzeitig noch einen anderen Stream schauen. Ich kann selbst mit dieser Ellbogendynamik, die es auf Twitch immer wieder gibt, nichts anfangen.
Früher habe ich viel LoL gespielt. Da bist du direkter in Konkurrenz mit anderen LoL-Spielern und siehst genau wie die anderen performen. Das nervt. Als Variety-Gamer ist es einfacher, sich nicht dauernd zu vergleichen. Es gibt verschiedene Fanbases, Communites. Wenn man weit kommen will beim Streamen, sollte man sich nicht vergleichen, warum ein anderer Streamer mehr User hat. Schaut andere Streamer, warum er mehr Community hat und lernt daraus.
Die eigenen Schwächen zu Stärken machen ist ein gutes Rezept, wenn du online erfolgreich sein willst.
Was ist dein Geheimrezept?
Mich nicht verstellen. Ich habe eine verhältnismäßig tiefe Stimme für eine Streamerin. Sonst sind eher die hübschen, niedlichen Stimmen unter Mädels verbreitet. Das baut Druck auf und man glaubt auch so sein zu müssen. Auch ich habe mich am Anfang deshalb verstellt. Wenn man älter wird, dann wird man aber auch selbstsicherer. Meine tiefe Stimme habe ich dann als Unterscheidungsmerkmal erkannt. Die Community merkt, ob du dich verstellst. Jetzt bekomme ich schon Komplimente für meine Stimme. Das tut gut. Die eigenen Schwächen zu Stärken machen, das ist ein gutes Rezept wenn du online aktiv bist.
So kennt man Pia - immer am Streamen

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© Shurjoka

Dein derzeitiges Lieblingsspiel?
Dead by Daylight. Ist kein Topgame auf Twitch, aber hat wirklich ein cooles Team-Game. Es gibt ein Ranking, das motiviert mich immer besonders. Außerdem ist der Frustrationspegel bei mir nicht so hoch wie bei z.B. League of Legends.
Welcher Social-Kanal ist für dich am wichtigsten?
Facebook habe ich größtenteils aufgegeben. Die Reichweite ist so runtergegangen, das lohnt nicht. Mir geht es nicht nur um viele Follower, aber die Leute, die sich für mich interessieren, will ich erreichen. Discord, IG und Twitter funktioniert da sehr gut. Discord ist am persönlichsten – da gibt es eigene Chats. Ich habe da meinen eigenen Server aufgebaut. Mit einzelnen Kanälen, wo über verschiedene Dinge gesprochen wird. Da sind mittlerweile über 1.000 Leute und reden von Kochrezepten bis hin zu ihren Lieblingsspielen über alles.
Ambitionen als Pro-Gamerin hast du nie gehabt?
Ich war nie gut genug. Ich war nicht schlecht in LoL, manchmal Diamond – genau wie bei Overwatch. Meist bin ich bei den besten 30%, aber nie bei den Allerbesten. Ich steigere mich gern in Spiele rein, habe aber nicht den Ehrgeiz mich auf ein Spiel zu fixieren. Mir ist es dann zu schade, die anderen coolen Games nicht zu spielen.
Was sind deine nächsten Ziele? Wo siehst du dich in 2-3 Jahren?
Ich mache mir viele Gedanken was passiert, wenn Streaming nicht mehr funktioniert. Ich möchte das jetzt ein Jahr noch Vollzeit machen und dann schauen, wo ich stehe. Am liebsten würde ich in eine Partnerschaft rutschen, die mir Stabilität gibt, z.B. über eine Zeit hilft, wo es nicht so gut läuft. In zwei Jahren wäre ich gern als Streamerin so groß, dass ich für einen Sponsor interessant genug bin, dass ich auch andere Projekte machen kann. 
Vielleicht Moderatorin, am besten im Gaming. Oder eine Ausbildung finden, die mich auch glücklich machen würde. Als Selbstständige ist es schwierig langfristig zu planen.