Beim Schlafen habe ich es gern etwas kühler, deshalb parke ich meinen Camper lieber ein Stück weiter oben am Berg. Wildcamping ist in Südtirol zwar nicht erlaubt, aber wer – wie ich – in Gasthöfen einkehrt und höflich fragt, findet meistens recht leicht ein ruhiges Platzerl. Ich starte mein Wochenende in den Dolomiten mit einem wunderschönen Blick hinunter vom Würzjoch. Ich veranstalte seit einigen Jahren immer wieder Fahrtechnikcamps hier in dieser Gegend. Deshalb kenne ich mich schon ganz gut aus, aber ich will noch weitere Spots kennenlernen und damit meine innere Landkarte Südtirols vergrößern.
Für diesen Zweck eignet sich das E‑Mountainbike perfekt: Du kannst Gegenden erkunden, die du mit dem normalen Bike nicht so schnell erreichst. Mit dem E‑MTB schaffe ich das, was sonst eine Tagestour ist, in zwei bis drei Stunden – und finde trotzdem noch die Muße, den Blick schweifen zu lassen und die herrliche Landschaft zu genießen. Meine erste Tour führt mich vom Würzjoch einmal um den 2.875 Meter hohen Peitlerkofel herum. Ich genieße diese flotte Runde – würde sie aber nur wirklich geübten Bikern empfehlen: In der Abfahrt geht es über eine exponierte Scharte, die doch gehobene Anforderungen an die Fahrtechnik stellt.
Südtirol bietet perfekte Bedingungen für Mountainbiker. Ich verbringe hier im Frühjahr und Spätherbst viel Zeit, wenn bei mir zu Hause im Stubaital zu viel Schnee auf den Trails liegt. Der feine Kiesel auf den Schotterwegen ist manchmal ein bisschen rutschig, aber nicht so scharfkantig wie zum Beispiel rund um den Gardasee. Die geschmeidigen Wanderwege kommen meinem verspielten Fahrstil generell entgegen.
Pushen auf dem E-Bike
Prinzipiell macht es für mich keinen Unterschied, ob ich motorisiert oder mit reiner Muskelkraft unterwegs bin. Mein E-Bike, ein Liteville 301 CE, wiegt rund 22 Kilo. Durch seinen niedrigen Schwerpunkt liegt es bergab wie ein Brett, ohne dabei behäbig zu sein. Es wäre verlockend, wegen der Motorunterstützung einfach die Beine baumeln zu lassen. Aber das interessiert mich nicht. Ich fahre das E-Bike noch aktiver als das Bio-Bike: Jede Unebenheit nutze ich zu meinem Vorteil; ich pushe, pushe, pushe.
Spannender Bike-Park
Vom Peitlerkofel fahre ich mit dem Camper weiter zur Plose, einem Gebirgsstock in den Lüsner Bergen. Dort liegt der Brixen Bikepark mit vier unterschiedlich schwierigen Mountainbike-Strecken. Neben den gebauten Trails gibt es auch schöne natürliche Herausforderungen. Bergauf nehme ich den Lift. Ich bin ja zum Vergnügen hier. Dass ich mich hier wie zu Hause fühle, hat familiäre Gründe: Ich bin zwar in Linz zur Welt gekommen, aber mein Opa väterlicherseits war Südtiroler. Er stammte aus Ritten, ganz in der Nähe meiner abschließenden Tour, bei der ich den Rosengarten erkunde. Was so lieblich klingt, ist ein rund acht Kilometer langes Bergmassiv an der Grenze Südtirols zum Trentino.
Das E-Bike schenkt mir zusätzliche Freiheiten. Die Motorunterstützung erlaubt es mir, Anstiege zu nehmen, die ich rein aus Muskelkraft kaum fahren könnte. Gerade bergauf kommen mir meine Erfahrungen aus dem Motorrad-Trial zugute: Ich weiß, wie ich Hindernisse anfahren muss, um vielleicht doch noch ein paar Höhenmeter zusätzlich fahren zu können. Angesichts der 22 Kilo überlegst du es dir zweimal, ob du das E-Bike wirklich schultern möchtest.
Bevor ich wieder heimfahre, gönne ich mir noch den Anstieg hinauf zur Laurins Lounge. Dort genieße ich auf über 2.300 Meter Seehöhe ein großartiges Rote-Rüben-Risotto und den grandiosen Fernblick. Dann steige ich noch einmal auf mein E-Bike und drehe ein paar letzte Runden auf dem Carezza Bike Trail.
Wohin soll’s gehen?
Südlich des Brenners liegt ein wahres Bike-Paradies. Die Dolomiten mit ihren vielen kleinen Seitentälern bieten abwechslungsreiche Trails jeder Schwierigkeitsstufe – egal, ob Uphill oder Downhill. Tom Öhler bietet über seine Homepage smooth.at und über facebook.com/tomoehler regelmäßig Fahrtechnikcamps an. Wie atemberaubend der Wahl-Tiroler fährt, wenn er es ernst meint, seht ihr im Clip „Tom Oehler rides the Dolomites“. Nächstgelegener internationaler Flughafen: Bozen, Innsbruck