Der Kleinstaat Österreich hat ganz selten Sportler, die wirkliche Weltstars sind. Der 2019 verstorbene Niki Lauda war unter ihnen der berühmteste. Obwohl er laut Selbstbeschreibung in der Formel 1 „nur im Kreis herumfuhr“ und seine drei WM-Titel Jahrzehnte her sind. Doch zu Laudas Glanzzeit wollten fast alle Kinder Auto fahren wie er.
Inzwischen ist Max Verstappen im Red Bull der Superstar des Schnellfahrens. Er gewann rund 30 Prozent seiner Grands Prix. Mit erst 26 Jahren hält das Fahrwunder Verstappen bei 54 Siegen. Im Vergleich dazu sind Laudas 25 Erfolge mit einer Siegquote von 14 Prozent mickrig. Aber es ist schwierig, Rennfahrer aus verschiedenen Epochen zu vergleichen.
Doch waren beide nicht allein die Besten im Durchtreten des Gaspedals und beim Lenkraddrehen. In der modernen Formel 1 muss Verstappen zudem ein Technikgenie sein. Um das Auto schnell zu machen, hat er in kürzester Zeit unzählige Daten zu verstehen und im Austausch mit seinem Team zu verarbeiten: von der Aerodynamik des Karbonchassis über die Benzinmischungen für den Hybridmotor bis zur temperaturbedingten Abnutzung von Keramikbremsen und Gummireifen.
Lauda hat genauso technische Genialität bewiesen, weil er anfangs mit unfahrbaren Rostlauben wie March und B.R.M. herumgurken und diese konkurrenzfähig machen musste. Als er zu Ferrari ging, war das ein 12-Zylinder-Brummer im Stil eines LKW. Jacky Ickx, immerhin Le-Mans-Sieger 1969 (weitere fünf Siege sollten folgen), holte in der Saison 1973 damit schlappe acht WM-Punkte. Doch mit Lauda wurde der Wagen weltmeisterreif.
Aber wie vergleicht man Verstappen und Lauda jenseits von Runden und Sekunden? Klarerweise ist es irgendwie unfair, die Persönlichkeit und das öffentliche Auftreten eines jungen Sporthelden der Gegenwart einer im Alter von 70 Jahren von uns gegangenen Legende gegenüberzustellen. Zu unterschiedlich sind außerdem die Medienwelten der TV-Livestreams, von Instagram & Co und dem einstigen Schwarz-Weiß-Fernseher.
Doch sogar da gibt es Parallelen: Weder Lauda noch Verstappen woll(t)en medial unbedingt lieb und nett rüberkommen. Verstappen kanzelt in Interviews die Fragesteller manchmal damit ab, dass echte Fans nicht rummeckern. Lauda meinte einmal: „Es juckt mich, zur Verteidigung der Formel 1 anzutreten. Vor allem, wenn mit falschen Schlagworten herumgeworfen wird. Das erzeugt nämlich sozusagen einen Auffahrunfall der Blödheiten.“
Zu gesellschaftlich wichtigen Themen jenseits des Autorennsports sagt Verstappen lieber gar nichts. Lauda tat das, war jedoch auf seine schnoddrige Art sehr zynisch. Deshalb haben beide einerseits fanatische Fans, andererseits gibt es Sportinteressierte, denen sie mit Inbrunst unsympathisch sind. Über Geschmack lässt sich nicht streiten, nur die Fahrkünste beider stehen völlig außer Streit. Vielleicht haben Verstappen und Lauda gleichermaßen erkannt, dass ein Weltstar auf jeden Fall polarisiert. Hätten sie vor laufenden Fernsehkameras Millionen gespendet, wären viele begeistert gewesen. Ähnlich viele hätten das als billige Inszenierung verdammt.
Wenn man es für einen Teil der öffentlichen Meinung eh immer falsch macht, kann man besser gleich alles dem Ziel unterordnen, möglichst viele Rennen zu gewinnen. Diese Unnahbarkeit resultiert nicht daraus, dass Verstappen oder Lauda böse Menschen wären. Sie verschwenden nur weniger Zeit als andere damit, das eigene Image zu verschönern. Zur gesamten Weltöffentlichkeit lieb sein, das dauert zu lange. Wer es jedem recht machen will, wird nie der schnellste Fahrer sein. Daher haben Verstappen und Lauda ihre gnadenlose Fokussierung auf den Erfolg gemeinsam.
So gesehen ist sowohl ihre Idealisierung als Superhelden wie auch ihre Verteufelung unsinnig. Insbesondere die Verklärung der Formel 1 zu Laudas aktiver Zeit ist Quatsch, weil etliche der Allerschnellsten – nach Doppelweltmeister Jim Clark 1968 und dem posthum zum Weltmeister erklärten Jochen Rindt 1970 auch François Cevert, Peter Revson und Ronnie Peterson – auf der Strecke starben. Bis 1994 Ayrton Senna starb und in Brasilien die Sonne vom Himmel fiel, wurden tödliche Unfälle in der Formel 1 allzu leichtfertig abgetan.
Es wäre makaber, falls irgendwer zu seinem glühenden Fan geworden wäre, nur weil Lauda am Nürburgring einen Feuerunfall erlitt und 42 Tage nach dem Überleben in einer Brandhölle mit 800 Grad wieder Rennen fuhr. Lauda war aus Sicherheitsbedenken gegen das Rennen rund um die Nürburgruine gewesen. Später stieg er im Wolkenbruch von Fuji nach einer Runde aus. Hoffentlich halten ihn nur Spinner deshalb für einen Feigling.
In Wahrheit überlegte Lauda sehr vernünftig, ob die Sache nicht viel zu gefährlich war. Er wollte keinesfalls wie James Hunt für den Titel sein Leben riskieren. Verstappen möchte das genauso wenig. Insofern war Lauda ein Vorreiter der Generation Verstappen, die unglaublich professionell und berechnend ist. Die Gemeinsamkeit von Lauda und Verstappen ist, alles andere rechts oder links auszublenden. Nicht zuletzt für die Sicherheit der Fahrer und Zuseher. Und das ist gut so.