25 Jahre ist es her, seitdem Lynn Hill die gesamte Kletterwelt auf den Kopf stellte. In einer Zeit, in der der Sport männerdominiert war, kletterte sie die Wand "El Capitan" im Yosemite Nationalpark komplett frei - 900 Meter Granit, nur mit ihren Händen und ihren Füßen. Sie war davon überzeugt, dass der Fels eine eigene Sprache spricht und der Welt zeigen kann, das Frauen durchaus ihre Berechtigung im Klettersport haben. Es zeigte sich, dass sie damit absolut recht hatte.
"Egal, welche physischen Unterschiede wir auch haben mögen, die richtige Kombination von Vision, Leidenschaft und Hingabe macht so gut wie jeden Climb möglich", erklärte sie. "Egal, ob groß oder klein, ob Mann oder Frau, der Fels ist ein objektives Medium, der für jede Interpretation offen ist."
Hill war eine Inspirationsquelle für unzählige andere Athletinnen, die ihren Platz in der Welt des Kletterns finden und festigen wollten. Wir stellen dir die neun besten davon vor, angefangen bei den Legenden bis hin zur neuen Generation.
Die Legenden
01
Junko Tabei
Nationalität: Japan
Junko Tabei war ursprünglich eine Bergsteigerin, keine reine Felskletterin, dennoch setzte sie ein starkes Ausrufezeichen und das noch vor Hill: Sie ist die erste Frau, der es 1975 gelang, den Mount Everest zu besteigen. Obwohl sie in einer Zeit aufwuchs, in der Gender-Stereotypien sie stark einschränkten, wurde sie zu einer Pionierin des Kletterns. So gründete sie etwa 1969 den "Ladies Climbing Club", da viele Männer sich dagegen sträubten, mit ihr zu klettern.
Den Everest bestieg sie mit einem rein weiblichen, japanischen Team, dem es zur Gänze gelang, auf dem Weg nach oben einer Lawine gerade noch zu entkommen. "Ich hatte es nie darauf angelegt, die erste Frau auf dem Everest zu werden. Ich bin einfach nur auf einen Berg gestiegen", meinte sie. "Aber mein Umfeld hat sich so radikal verändert, nur, weil ich als erste Frau dort oben war."
Im Jahr 1992 vervollständigte Tabei die "Seven Summits" nach Messner, womit sie sich in die Geschichtsbücher der besten Bergsteigerinnen verewigte.
02
Lynn Hill
Nationalität: Amerika
Lynn Hill gilt als Free-Climbing-Pionierin der 1980er- und 90er-Jahre. Sie war die erste Frau, die auf den großen Felswänden ein Zeichen setzte - und was für eines das war: Ihr gelang die erste Besteigung von "The Nose" auf dem El Capitán.
"Wir versuchten uns an Routen, bei denen wir das Risiko abschätzen mussten", erklärte sie. "Ich erinnere mich nicht daran, irgendwann einmal vor irgendeinem Climb zurückgeschreckt zu sein. Ich machte einfach das, was nötig war, um das zu erreichen, was ich für möglich hielt."
Hill war 14 Jahre alt, als sie in den Sport einstieg. Nur vier Jahre später kletterte sie die härteste Route, die zu dieser Zeit jemals von einer Frau absolviert wurde, die Ophir Broke in Colorada mit einem Schwierigkeitsgrad von 7c (5.12d). 1993 kam dann ihr Climb auf den El Capitán, den sie in vier Tagen hinter sich brachte. Ein Jahr später begeisterte sie alle und kehrte zurück, um die gleiche Route in einem Tag zu bestehen. Diese Erfolge machten sie in den USA zum absoluten Superstar, mit Auftritten in der Sports Illustrated bis hin zu David Letterman.
Mehr über Hills Geschichte lernst du in "Valley Uprising":
1 h 39 Min
Valley Uprising
Begleite Alex Honnold und Co. und erlebe hautnah, wie Kletterer im Yosemite einen gegenkulturellen Lebensstil entwickelten.
03
Catherine Destivelle
Nationalität: Frankreich - Algerien
Zur selben Zeit, als Hill ihr Ding in Amerika durchzog, machte sich Catherine Destivelle an die Wände in Europa und erkletterte sich 1992 den Titel der ersten Dame, der es gelang, die Nordwand des Eiger in der Schweiz zu besteigen. Besonders beeindruckend: Sie benötigte dafür nicht mehr als 15 Stunden.
Destivelle eignete sich ihre Bouldering-Skills in Fontainebleau und in den Alpen an. Vor ihrem Erfolg in der Schweiz kletterte sie bereits die Route "Chouca at Boux" und den Trango Tower, erst mit dem Eiger brachte man ihr aber den Respekt entgegen, den sie verdient.
"Nach dem Trango sagten einige Leute, dass Jeff (ihr Kletterpartner) den Anstieg angeführt hat", erinnert sie sich. "Das war einfach nicht richtig, aber damals hieß es: 'Du bist das Mädchen, also gehst du als Zweites.' Ich bin alleine auf den Eiger gestiegen, damit es keinen Zweifel mehr gibt."
04
Beth Rodden
Nationalität: Amerika
Beth Rodden zementierte ihren Ruf in der Big-Wall-Szene in den 1990er-Jahren in Yosemite und gehört seitdem zu deren größten "Rockstars".
Ursprünglich verschrieb sie sich ganz und gar dem Wettbewerb in der Kletterhalle. Als sie sich aber in den Smith Rock State Park in Oregon aufmachte, um die "To Bolt Or Not To Be"-Route zu klettern, traf sie auf Lynn Hill, die ihr Potenzial erkannte und sie zu einem Kletter-Trip nach Madagaskar einlud. Als sie zurück nach Amerika kam, machte sie sich an die Felswände von Yosemite, wo sie Kletter-Ass Tommy Caldwell kennenlernte. Gemeinsam bilden sie das "Golden Couple" der Kletterwelt.
Zusammen bestiegen sie die Route "Lurking Fear" auf dem El Capitán im Jahr 2000. Nachdem sie in Kirgistan gekidnappt wurde und mit dem Klettern ein Jahr lang nichts mehr zu tun haben wollte, taten sie und Caldwell es Hill gleich und kletterten "The Nose" im Jahr 2005.
"The Nose zu schaffen war ein lebenslanger Traum von mir", erzählt sie. "Ich begann mit dem Klettern im gleichen Jahr wie Lynn. Jeder Wettbewerb, an dem ich teilnahm, jede Halle, in der ich war, hatte ein Poster von Lynn hängen, mit der Aufschrift 'Es ist möglich, Jungs'. Bevor ich überhaupt wusste, was der El Cap ist, dachte ich mir: 'Oh, ich möchte genauso sein, wie sie'."
2008 gelang Rodden der damals härteste Climb von Yosemite (8c+; 5.14c), an dem viele Kletterer - darunter Ron Kauk - gescheitert waren. Sie bezeichnete die Route als "Meltdown", kein weiterer Athlet oder Athletin hat sie bis heute bezwungen.
Die neue Generation
05
Sasha DiGiulian
Nationalität: Amerika
Sie gilt als eine der besten - wenn nicht die beste - Free-Climberin der Welt: Sasha DiGiulian, die auf mehr als 30 weibliche und acht signifikante Erstbesteigungen zurückblickt.
Inspiriert von Hill begann sie im Alter von sieben Jahren mit dem Klettern; mit 18 war sie dann die dritte Dame - nach Josune Bereziartu aus Spanien und Charlotte Durif aus Frankreich - die eine 9a (5.14d)-Route in der Red River Gorge in Kentucky bestieg.
"Klassische 'Erstbesteigungen' und 'Erstbesteigungen einer Frau' sind historische Meilensteine in unserem Sport", meint sie. "Beides sollte stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Klar, wenn es den Damen gelingt, generell mehr 'First Ascents' hinzulegen, dann wäre das ideal."
9 Min
Kampf gegen den Zahir Plus
Die amerikanische Fels-Kletterin Sasha DiGiulian überwindet sich und ist bei ihrem Big-Wall-Abenteuer in der Schweiz erfolgreich.
DiGiulian sprach und setzte um: Sie bereiste die Welt, um die wirklichen "Big Climbs" anzugehen. Darunter bestieg sie als erste Frau die "Magic Mushroom" auf der Nordwand des Eiger im Jahr 2015 und die "Misty Wall" in Yosemite im Jahr 2017.
06
Margo Hayes
Nationalität: Amerika
28 Min
Break On Through
Margo Hayes will Geschichte schreiben und die erste Frau sein, die La Rambla in Spanien und Biographie in Frankreich bezwingt.
Margo Hayes gelang ein neuer Meilenstein, als sie den höchsten Schwierigkeitsgrad, der jemals von einer Dame geklettert wurde, im Februar 2017 in La Rambla (Spanien) auf 9a+ (5.15a) erhöhte. Neun Monate lang hielt ihr Rekord, bevor Angela Eiter noch einen drauflegte und eine 9b (5.15b) absolvierte.
Hayes nahm im Alter von acht Jahren an nationalen Gymnastik-Wettbewerben, entdeckte zwei Jahre später aber das Klettern für sich und entwickelte ihr Skill-Set im Boulder-Team ABC. Im Jahr, in dem sie sich auf La Rambla vorbereitete, brachte sie 14 Routen mit einem Schwierigkeitsgrad von zumindest 5.14a hinter sich.
"Als ich La Rambla geschafft hatte, überraschte mich eine Flut an Emotionen", erzählt sie. "Ich begann sofort damit zu weinen. Ich glaube, es war eine Kombination von Freude und Fassungslosigkeit. Ich werde diesen Moment niemals vergessen."
Hayes brauchte 17 Versuche über sieben Tage, um La Rambla zu besiegen.
07
Janja Garnbret
Nationalität: Slowenien
20 Min
Die perfekte Saison - Part 1
Janja Garnbret dominiert die Kletterwettkampfszene. Meistert sie die perfekte Saison?
Obwohl sie eher als Wettbewerbs-Kletterin bekannt ist, sorgte Janja Garnbret auch outdoor für Aufsehen, als sie gemeinsam mit ihrem slowenischen Landsmann Domen Škofic den 360 Meter hohen Schornstein von Trbovlje bestieg.
Das Potenzial, auf das Garnbret zurückgreift, wenn sie den IFSC World Cup einmal beiseite lässt, scheint endlos zu sein. Nicht zuletzt ist sie die einzige Kletterin, der es jemals gelang, eine komplette Saison lang ungeschlagen zu bleiben. Daneben holte sie sich auch die Goldmedaille in Tokio ab.
08
Angela Eiter
Nationalität: Österreich
Auch Angela Eiter kletterte vorrangig im Wettbewerb, bevor sie im Oktober 2017 auch outdoor für Schlagzeilen sorgte, als sie als erste Dame die 9b (5.15b)-Route La Planta de Shiva kletterte. Nur zwei Athleten - Adam Ondra und Chris Sharma - konnten das bisher überbieten.
"Ich liebe es, dass Frauen mittlerweile Grenzen überschreiten und für neue Meilensteine sorgen", meint sie. "Es gibt so viele eindrucksvolle Athletinnen, die einen inspirieren, und so viele Neueinsteigerinnen sorgen für fundamentale Erfolge."
Eiter begann im Alter von 11 Jahren mit dem Klettern in der Schule. Mit 17 gewann sie ihren ersten Weltmeistertitel, mit 21 kletterte sie in Italien eine 8c+ (5.14c)-Route. 2014 legte sie mit "Hades" und "Big Hammer" - jeweils 9a (5.14d) - in ihrer Heimat in Österreich noch einen drauf, bevor sie zum ersten Mal die "La Planta de Shiva" anging.
2 Min
Angela Eiter hebt das Frauenklettern in eine neue Liga
Angela Eiter in Action in La Planta de Shiva
09
Ashima Shiraishi
Nationalität: Japan - Amerika
Die jüngste Athletin der neuen Generation ist Ashima Shiraishi, die im Alter von nur 13 Jahren als zweite Dame eine 9a/9a+ (5.15d/5.15a) absolvierte. Sie ist da draußen die momentan beste Kletterin in ihrem Alter.
Mit sechs Jahren stieg sie gemeinsam mit ihrem Vater in den Klettersport ein. Dabei setzte sie vor allem auf Bouldering, bevor sie auf dem Southern Smoke in der Red River Gorge als jüngste Athletin überhaupt eine 8c+ (5.14c)-Route bestieg.
"Ich dachte mir immer, dass ich dieselben Stärken habe wie die Jungs und ich wusste, dass ich zu allem in der Lage war", erklärt Shiraishi. "Das ist das Schöne am Klettern - alle können dieselben Routen klettern. Es ist etwas, bei dem die Mädchen zeigen können, dass sie 'bad ass' sind."
2015 gelang Shiraishi ihre erste 9a (5.14d)-Route auf der "Open Your Mind Direct" (die inoffiziell als etwas härter eingeschätzt wird). Danach kletterte sie die Ciudad de Dios (9a/9a+; 5.14d/5.15a) als erst zweite Frau, der das überhaupt gelang. Sie ist definitiv drauf und dran, die Grenzen des Möglichen in Zukunft noch weiter zu pushen.
In diesem Clip lernst du noch mehr über Shiraishis Geschichte:
24 Min
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