Alinghi Red Bull Racing
© Samo Vidic / Alinghi Red Bull Racing
Segeln

Radfahrer an Bord von Segelbooten des America's Cup... warum?

Von den 8 Besatzungsmitgliedern einer AC75 hat die „Power Group“ die heikle Mission, die erforderliche Energie für die verschiedenen Manöver des fliegenden Bootes zu liefern.
Autor: Axon Tanslate
4 min readPublished on
Die AC75, die Segelboote, die den America's Cup 2024 bestreiten, sind Hightech-Maschinen, die enorme Mengen an Energie brauchen, um Höchstleistung zu erbringen. Die verschiedenen Systeme, die ein Steuern der Foils und die Abfolge der Manöver ermöglichen, sind wahre Energiefresser.
An Bord gibt es drei verschiedene Energiequellen:
  • Typisiertes Paket für die Foil-Arme: Alles, was das Handling der Foil-Arme (Cant Foil Arms) betrifft, ist bei allen Mitbewerbern gleich. Am typisierten Paket können die Ingenieure der Teams nichts ändern. Das Paket umfasst eine Batterie, die ausreichend dimensioniert ist, um die erforderliche Energie für die Funktion des Systems zu speichern. Es ist unabhängig vom Rest des Bootes.
  • Massgeschneiderte Trimmanlagen für die Flaps der Foils und der Ruder: Hier entwickelt jedes Team ein spezifisches elektrisches System, das unabhängig von der Bewegung der Cant Foil Arms ist.
  • Muskelkraft der Mannschaft für Segel und Foils: Das Trimmen der Segel und der Foils erfolgt mit der Muskelkraft der Mannschaft. Abgesehen vom biomechanischen Aspekt der Vorbereitung der Athleten der „Power Group“ können die Ingenieure Elemente entwickeln, die es ermöglichen, dass die erzeugte Energie am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung steht.
Marco Odermatt

Marco Odermatt

© Olaf Pignataro / Alinghi Red Bull Racing

Beine liefern mehr Kraft als Arme

Auf allen Booten, die am nächsten America´s Cup teilnehmen, setzen die Athleten, die für die Energieerzeugung an Bord zuständig sind, die sogenannte „Power Group“, ihre Beine statt ihre Arme ein. Wie Radfahrer.
Die Neuseeländer waren 2017 die ersten, welche die bis dahin üblichen „Kaffeemühlen“ ersetzten und die Besatzungsmitglieder in die Pedale treten liessen. Diese Lösung wurde 2021 untersagt, ist aber für die aktuelle Auflage wieder erlaubt. Insbesondere die Reduzierung der Besatzungsgröße von 11 auf 8 Personen war dafür ausschlaggebend. Die Beine liefern etwa 30 % mehr Kraft als die Arme und der Oberschenkelmuskel ist der größte Muskel des Körpers. Ein Radfahrer auf Topniveau kann kontinuierlich eine Kraft von 400 Watt liefern, und das durchaus länger als zehn Minuten. Bei Sprints kann diese Zahl noch um 25 % nach oben gehen. Ein weiterer Vorteil: Dadurch, dass die „Cyclors“ weit unten im Boot untergebracht werden können, ergibt sich eine für die Aerodynamik vorteilhaftere Position.
Alinghi Red Bull Racing

Alinghi Red Bull Racing

© Samo Vidic / Alinghi Red Bull Racing

Die Idee ist nicht neu. Bereits 1977 setzte die schwedische 12mJI Pedalritter für den Winschantrieb des Bootes ein. Die Effizienz der Anlage war aber bescheiden und erlebte kein Comeback bei diesem Segelboottyp. Pedale kamen aber auch auf dem siegreichen Trimaran bei der Route du Rhum 2010 zum Einsatz.

Direkt erzeugte oder gespeicherte Energie

Auf einer AC75 wird ständig irgendwo Energie gebraucht. Segel und Eintauchwinkel der Foils werden kontinuierlich von den Systemen getrimmt, die auf die verschiedenen beweglichen Elemente einwirken. Es geht also darum, Energie zum richtigen Zeitpunkt entsprechend den verschiedenen Phasen der Regatta zu liefern. Bei Manövern ist beispielsweise mehr Leistung erforderlich. Es muss aber auch noch Energie für die verschiedenen Trimmmanöver verfügbar sein, wenn das Boot auf einem Schlag ist. Parameter, die ein kluges Management erfordern, das sich nach den technischen und strategischen Erwägungen von jedem Team richtet.
„Der Aspekt des Energiemanagements ist für jedes Boot spezifisch“, bestätigt Steven Robert, Strukturingenieur bei Alinghi Red Bull Racing. Er fährt fort: „Es handelt sich um ein komplexes Gefüge. Man kann beispielsweise kontinuierlich Energie mit einer Leistung erzeugen, die der Produktionskapazität der „Power Group“ während einer Regatta entspricht, und anschließend mit Speicher- und Umverteilungssystemen arbeiten, die verschiedene Formen aufweisen können. Man kann aber auch den Bedarf direkt erfüllen und die „Power Group“ je nach Anforderung in variierendem Rhythmus arbeiten lassen. In der Praxis liegt die Lösung in der goldenen Mitte. Und jede Entscheidung wirkt sich auf andere Aspekte aus, insbesondere auf das Gewicht, die Reaktionsfreudigkeit und die Reaktionszeit für das Erzielen der Verfügbarkeit der gewünschten Energie usw. Ich kann natürlich nicht genau verraten, was wir entwickelt haben: Immerhin geht es um strategische Entscheidungen, die für jedes Team spezifisch sind. “

Der Athlet im Mittelpunkt der Gleichung

Die physischen Leistungen der Mitglieder der „Power Group“ bilden definitiv die Grundlage für die Energieerzeugung an Bord einer AC75. Und die Vorbereitung der „Cyclors“ für die spezifischen Herausforderungen ist natürlich genauso wichtig wie die anderen Puzzleteile, etwa die technologische Entwicklung.
2024: Arthur Cevey vom Team Alinghi Red Bull Racing konzentriert sich intensiv beim Training in Barcelona.

Das Training in Barcelona

© Olaf Pignataro / Alinghi Red Bull Racing

Alle Teams haben sich für Athleten entschieden, die bereits alles mitbringen, um die Kraft für ein optimales Energiemanagement an Bord einer AC75 zu liefern. Mehrere Stars des Radsports, etwa der Franzose François Pervis oder der Amerikaner Ashton Lambie, sind mittlerweile Teil der Segelmannschaften.
Für ein schnelles Tempo bis zum Ziel erfordert es daher bei den Regatten des America´s Cup, jederzeit über die erforderliche Energie an Bord verfügen zu können. Zweifellos ein Schlüssel zum Erfolg.
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