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Unterkunft der Zukunft: Prototyp des Hauses «Nolla»
© Neste
7 Ideen für eine bessere Welt
Wir präsentieren geniale und zukunftsträchtige Einfälle.
Autor: Johannes Kornacher, Stephanie Fuchs, Saskia Jungnikl
9 min readPublished on

1. Bitte alle aufsteigen

U-Bahn in 3D: Der Aufzug von morgen fährt senkrecht und waagrecht. Vernetzt Gebäude und Menschen. Spart Platz und Zeit.
Der «Multi» soll schon ab 2020 unser urbanes Leben revolutionieren.
Der «Multi» soll schon ab 2020 unser urbanes Leben revolutionieren.© Thyssenkrupp Elevator
Die Zukunft der Städte, ebenso bekannt wie logisch, liegt im Himmel. Der Platz auf dem Boden ist limitiert, intelligente Orga­nisation nach oben öffnet jedoch neue Räume – und beinahe unbegrenzte urbane Lebensmöglichkeiten. Voraus­setzung dafür sind flexible Transportsysteme. Schritt eins wurde bereits vor 160 Jahren gesetzt: Man begann Kabinen in riesigen Schächten an Seilen auf­ und abzuziehen. Seither ist das Aufzugsprinzip unverändert. Aber ist es noch zeitgemäss? Allein 2010 verbrachten New Yorks Büromenschen 16,6 Jah­re Wartezeit vor Aufzügen (um damit dann 5,6 Jahre zu fahren).
«Multi» in Aktion: weder Seile noch Gegengewichte
«Multi» in Aktion: weder Seile noch Gegengewichte© Thyssenkrupp Elevator
Schritt zwei der Eroberung der dritten städ­tischen Dimension soll jetzt folgen: Der «Multi» verbindet Vertikale und Horizontale, fährt hoch wie ein Aufzug, vernetzt aber auch benach­barte Gebäude miteinander. Die 8 ­Personen­-Kabinen des «Multi» (laut «Time»­Magazin eine der 25 besten Ideen des Jahres 2017) verkehren in einer Endlosschleife seillos auf Magnetfeldern wie eine dreidimensionale U­Bahn. «Wir reduzieren Wartezeiten erheblich, weil wir viele Kabinen zirkulieren lassen», sagt Thyssenkrupp­ Projekt­manager Benjamin Brandes. «Passagiere können alle 15 bis 30 Sekunden einsteigen.» Die Förderleistung des Auf­zugs der Zukunft soll um rund 50 Prozent höher liegen als die seines amtierenden eindimen­sionalen Vorgängers. Carbon­werkstoffe, der Wegfall von Seilen und Gegengewichten sowie reduzierter Platzbedarf geben dem Projekt ökologisch und ökonomisch Sinn. Der erste kommerzielle «Multi» im Berliner East Side Tower soll schon 2020 fertig sein.

2. ­Weltraumtaxi

Der Traum des Software-Milliardärs: Das weltgrösste Flugzeug bringt Erde und Weltall um die entscheidenden elf Kilometer näher zusammen.
Die «Stratolaunch» auf ihrer Basis in der kalifornischen Mojave-Wüste.
Die «Stratolaunch» auf ihrer Basis in der kalifornischen Mojave-Wüste.© Stratolaunch
Er war eine der reichsten und einflussreichsten Personen der Welt – und doch war sein Name nicht jedermann geläufig: Paul G. Allen, kein Geringerer als der Mitbegründer des Konzerns Microsoft, den er seit 1975 gemeinsam mit Highschool-Freund Bill Gates leitete. Nur acht Jahre später jedoch schied er aus dem operativen Bereich des Unternehmens wieder aus, weil er an Krebs erkrankt war. Da war er gerade mal dreissig. Und hatte 21 Milliarden Dollar am Konto.
Allen widmete sich fortan den schönen Dingen des Lebens – in unternehmerischer Hinsicht. Er tätigte Milliarden-Investments, leistete sich je ein Profiteam in Fuss-, Foot- und Basketball sowie Yachten, Unterseeboote, Kunstgegenstände und Immobilien in der ganzen Welt – und das Flying Heritage & Combat Armor Museum in Everett, Washington. Dort versammelte der Milliardär seltenes Fluggerät wie die legendäre sowjetische MiG-29 aus den 1980ern. Und verfolgte sein ehrgeizigstes Luftprojekt: die «Stratolaunch», das grösste Flugzeug der Welt – mit 117 Metern Flügelspannweite ist es um 12 Meter breiter, als das Fuss­ballfeld in der Allianz Arena lang ist, und überragt den Airbus A380, das grösste Ver­kehrsflugzeug, um 37 Meter.
Allen starb 2018. Doch seine Vision wird von seinen Mit­arbeitern weiterverfolgt: Die Stratolaunch soll Satelliten, Nutzfracht und Menschen ins All transportieren. Der Vorteil des Konzepts: Der von sechs Pratt­&­Whitney­ Triebwerken der Boeing 747 angetriebene Megaflieger soll wie einst das Space Shuttle Raketen auf­ nehmen und sie jene ersten elf Kilometer Richtung All transportieren, die bei herkömmlichen Starts besonders gefährlich und teuer sind.
Dort angelangt, klinken sich die Raketen aus, zünden ihre Triebwerke und fliegen den Rest ihrer Mission selbst. Raketenstarts werden ein­ facher und vor allem günstiger. Statt derzeit 50 Millionen Dol­lar sollen sie dann nur noch rund die Hälfte kosten. Der erste Flug des Weltraumtaxis ist für Anfang 2019 angesetzt.

3. Zen to go

Das Unternehmen Head­space macht Meditation zu einem massentaug­lichen Ritual – und die Welt damit gesünder: Wie? Mit einer App, die uns beibringt, auf­ merksamer zu leben.
Verspieltes Design, Gamification ­Ansatz, für iOS und Android optimiert.
Verspieltes Design, Gamification ­Ansatz, für iOS und Android optimiert.© Headspace
28 Millionen Downloads: Da scheint jemand etwas nicht ganz falsch gemacht zu haben. Das britisch-amerikanische Unternehmen Headspace bringt den globalen Meditationstrend als App aufs Handy und macht es damit zu einem digitalen Fitnessstudio für den Geist.
Die Klinische Psychologin Megan Jones Bell ist Chief Science Officer von Headspace, sie untersucht die Wirkung von Achtsamkeitsmeditation. Und die ist verblüffend: Bereits zehn tägliche Minuten konzentriertes Gefühlsmanagement reichen, um Stress, Aggression oder Selbstzweifel in den Griff zu bekommen und die körperliche und geistige Gesundheit zu stärken – und dabei ist die Meditation mittels App ebenso wirkungsvoll wie jene unter persönlicher Anleitung.
Dabei liegt das Ziel der drei-bis sechzigminütigen Headspace-Meditationen gar nicht darin, einfach nur den Kopf frei zu bekommen. «Es geht vielmehr darum, die eigene Wahrnehmung zu schärfen», sagt Jones Bell.
Megan Jones Bell
Megan Jones Bell© David Visnjic
In den geführten Sessions lernen die User, Emotionen zur Kenntnis zu nehmen, ohne sie zu bewerten. «Wer zulässt, dass sich Gefühle wie auf einer weissen Leinwand vor einem ausbreiten, verändert auf lange Sicht seine Beziehung zu ihnen und kann sich von ihnen befreien.»

4. Minimal Maximal Leben

«Nolla» heisst Null, sieht aus wie ein A und denkt unsere Art zu wohnen völlig neu: cleverer Minimalismus auf finnische Art.
Unterkunft der Zukunft: Prototyp des Hauses «Nolla»
Unterkunft der Zukunft: Prototyp des Hauses «Nolla»© Neste
Zunächst mal lässt sich Nolla überall aufstellen, sobald eine Waagrechte nur zu erahnen ist: Acht Beine, jedes von ihnen einzeln verstellbar, schlucken Unebenheiten. Nolla, erfunden vom finnischen Designer Robin Falck, ist aber kein Zelt, sondern ein ernsthaftes Haus, mit vier Wänden, einer als Fenster, einer als Tür und zwei als Dach.
Die Idee des Tiny House ist ja nicht mehr ganz neu, hier wird die Minimalisierung aber maximiert: Nolla (finnisch für «Null») misst 3,75 × 2,60 Meter, wiegt 1000 Kilogramm und kostet 15.000 Euro. «Ein Ort von der Grösse eines Zelts ist alles, was wir zum Leben brauchen», sagt Falck. «Null» bezieht sich nicht auf das Raumgefühl im Inneren der A-förmigen Unterkunft, sondern auf die dahinterstehende Mission: Nolla soll zeigen, wie eine Wohnzukunft ohne fossile Brennstoffe aussehen kann.
Falcks Haus ist aus nachwachsenden oder rezyklierbaren Rohstoffen gebaut und wird mit erneuerbarer Energie über Solarpanels auf dem Dach betrieben. Ofen und Kochherd laufen mit erneuerbarem Bio-Diesel, Wände und Boden sind aus Sperrholz und finnischer Kiefer gefertigt. Einziger ökologischer Schwachpunkt ist noch die Fensterfront aus erdölbasiertem Polycarbonat. Hersteller Neste versichert jedoch, über ein System zur Herstellung von Bio-Polycarbonat zu verfügen: «Bei höherer Nachfrage machen wir es damit.»
Blick aus dem Inneren des Zweibettzimmer-Hauses
Blick aus dem Inneren des Zweibettzimmer-Hauses© Neste
Ganz nach der finnischen Tradition der Waldhütte verzichtet Nolla auf allzu luxuriös anmutende Annehmlichkeiten. Ein Bad etwa gibt es nicht. Die Belüftung findet über traditionellen Luftaustausch statt, auf eine Klimaanlage ist nicht nur aufgrund der überschaubaren Hitzegefahr in finnischen Wäldern verzichtet: Eine Dachseite ist bespiegelt und reduziert die Wärmeentwicklung. Nolla ist als Stecksystem konstruiert, lässt sich also werkzeugfrei zerlegen und erstaunlich einfach transportieren.
Ein Prototyp steht auf der finnischen Insel Vallisaari bei Helsinki. Er kann über Airbnb gemietet werden (gerade einmal 30 Euro pro Nacht). Ganz im Sinne von Erbauer Falck führt die Fähre mit erneuerbarem Bio-Diesel auf die Insel.

5. Filtern wir die Meere

Weltproblem Plastikmüll: Eine deutsche Architektin hat einen neuen Ansatz zur Lösung entwickelt. Ehrenamtlich.
Das 400 mal 400 Meter grosse PGS sieht aus wie ein Rochen.
Das 400 mal 400 Meter grosse PGS sieht aus wie ein Rochen.© Pacific Garbage Screening E.V.
Das Problem wird sich erstens nicht von selbst lösen: 450 Jahre dauert es durchschnittlich, bis sich Plastikmüll im Meer zersetzt. Zweitens wiegt es immer schwerer: 13 Millionen Tonnen davon geraten Jahr für Jahr in die Meere. Drittens wird es immer grösser, je kleiner die Müllteile werden: Denn Plastik wird zu Mikroplastik, sinkt bis zu 50 Meter in die Tiefe und wird von Fischen und anderen Meerestieren gefressen – bevor es beim Menschen auf dem Teller landet.
Marcella Hansch, 32, ist hauptberuflich Architektin. Doch ihre Berufung fand die Aachenerin im Kampf gegen den Kunststoff. «In meiner Umgebung traut sich niemand mehr, Einweg-Trinkhalme zu verwenden.» Ihr Schlüsselmoment: «Als ich beim Tauchen vor den Kanaren mehr Plastiktüten als Fische sah – da wusste ich, ich muss etwas unternehmen.» Hansch entwickelte «Pacific Garbage Screening», eine schwimmende Plattform, die direkt in einem Strudel treibenden Mülls verankert wird. Sie beruhigt den Strudel und ermöglicht es so, dass die leichten Mikropartikel im Wasser aufsteigen. An der Oberfläche können sie abgeschöpft und entfernt werden. Da die Maschine ohne Netze und Filter auskommt, können Fische unbehelligt durchschwimmen.
Plastik ist leichter als Wasser – diese Erkenntnis macht sich PGS zu­ nutze
Plastik ist leichter als Wasser – diese Erkenntnis macht sich PGS zu­ nutze© Pacific Garbage Screening E.V.
Auch zur Beantwortung der Frage, was mit dem aus dem Meerwasser gefilterten Müll geschehen soll, gibt es bereits eine erste Idee: Die Teilchen könnten mittels eines chemischen Vorgangs namens Pyrolyse in Wasserstoff und Kohlendioxid umgewandelt werden. An deren Umsetzbarkeit arbeitet ein 34-köpfiges internationales Team von Ehrenamtlichen – wie Hansch selbst. Sie investiert neben ihrem Vollzeitjob als Architektin jede freie Minute in ihre Erfindung. Aktuelles Projekt: ein Prototyp, der Kunststoff schon an Flussmündungen abfängt, bevor er ins Meer gelangt. In fünf Jahren soll er fertig sein.

6. Diese App macht Stumme hörbar

Ein italienisches Start-up erfand einen Übersetzer der revolutionären Art: Limix verwandelt Gesten in gesprochene Sprache.
«Talking Hands»: Der Handschuh übermittelt die Geste, die App übersetzt sie
«Talking Hands»: Der Handschuh übermittelt die Geste, die App übersetzt sie© 2018 Limix SRL
Es gibt weltweit etwa siebzig Millionen gehörlose Menschen, und sie leben in einer kommunikativen Einbahnstrasse: Während sie über das Ablesen von Lippenbewegungen einem Gespräch folgen können, werden sie umgekehrt meist nicht verstanden. Denn nur rund zehn Prozent der Weltbevölkerung beherrschen eine Gebärdensprache. Das italienische Start-up Limix hat nun eine revolutionäre Idee, um dieses Problem zu lösen: Die beiden Gründer Francesco Pezzuoli und Dario Corona entwickelten mit «Talking Hands» ein Gerät, das Gebärdensprache hörbar macht: Der Benutzer streift den Handschuh über, macht eine Geste, die dazugehörige App verwandelt diese über ein Smartphone in akustische Signale.
Grundlage dafür ist Elektromyographie (EMG), die etwa bei der Steuerung von Prothesen zum Einsatz kommt. Pezzuoli und Corona entwickelten das Prinzip für ihr Produkt weiter. Das war ein langer Weg, aber «hat man seine Idee gefunden, lassen sich alle Probleme mit harter Arbeit lösen», sagen die beiden Entwickler, denn: «Grossartige Ideen haben viele. Aber nur wenige haben den Mut und die Entschlossenheit, sie zu verwirklichen.» Den ersten funktionalen Prototyp stellten die beiden aus Gartenhandschuhen her. 2016 gewannen sie den Rome Prize der Maker Faire, Europas grösster Innovations- und Technologiemesse – und damit 100.000 Euro Entwicklungskapital. Seit Juni 2018 werden Modelle an Kunden getestet. Kommendes Jahr soll das Produkt auf den Markt kommen.
Demo-Videos gibt’s auf: limix.it

7. Robo-Retter

Dieser Roboter geht für dich durchs Feuer – als Helfer bei Bränden und Erdbeben. Seinen ersten Härtetest? Hat er bereits bestanden.
Titan-Feuerwehrmann
Titan-Feuerwehrmann© IT-Istituto italiano di tecnologia
1,85 Meter gross, 62 Zenti­meter breite Schultern, 102 Kilo schwer – das ist «Walk­Man», der Feuerwehr­ Roboter, der Rettungskräfte im Einsatz unterstützt. Sein Körper besteht zu 60 Prozent aus Ergal, einer Aluminium­legierung, speziellen Magne­siumlegierungen, Titan und Eisen. Erschaffen wurde er am Istituto Italiano di Tecnologia in Genua. Wenn Menschen am Einsatzort aufgeben müssen, dringt der Walk­Man weiter vor. Eine erste Mission absol­vierte er nach dem Erdbeben in Amatrice, Italien, er ist aber auch für Nuklear­ und Chemieunfälle gewappnet.
Gesteuert wird der Walk­Man von einem Operator, Kameras und Sensoren liefern perma­nent Informationen. Dank einer neuen 1­kWh­Batterie reicht seine Kraft mittlerweile für zwei Stunden.
Was sind deine Visionen für die Zukunft?
Innovationen und Ideen prägen das Leben von Morgen. So wie die obigen Technologien, die unseren Alltag schon bald verbessern könnten. Mache jetzt mit – und teile mit uns deine Zukunftsvision einer wünschenswerten Welt. Die kreativsten Köpfe werden eingeladen, ihre Ideen mit internationalen Vordenkern an der Red Bull Futur/io Academy in Lissabon vorzustellen: Red Bull Futur/io