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Star-Kletterer Alex Honnold: Das Leben nach "Free Solo"
Seit dem Oscar-gekrönten Film hat sich im Leben von Kletterer Alex Honnold viel getan: Erstbegehungen in der Antarktis, Speed-Rekord auf der "Nose" und viel Stiftungsarbeit. Aber das ist nicht alles!
Alex Honnold unterteilt sein Leben um "Free Solo" -- seine ungesicherte Besteigung des mächtigen El Capitan, die ihn über Nacht weltberühmt machte -- gerne in drei Kapitel: die Route, der Film und die Zeit danach.
Zuerst waren da die acht Jahre, in denen er konsequent auf sein Ziel hinarbeitete, die "Freerider"-Route des El Capitan ohne Seil zu klettern. Dann folgte der Abschnitt, in dem die Co-Regisseure Jimmy Chin und Chai Vasarhelyi ihren später Oscar-gekrönten Film drehten und produzierten, während Alex an der Route trainierte, und dann der Tag der eigentlichen Besteigung.
Nach der Fertigstellung des Films kam die Tour, bei der Honnold weltweit in den Medien auftrat und oft bis zu fünf Interviews am Tag gab. Als der wohl berühmteste Kletterer der Welt wurde er sogar zu einer Podiumsdiskussion bei der Nobelpreisverleihung eingeladen und hatte TV-Auftritte mit Stars wie Bear Grylls. Während der Promo-Tour für den Film hielt er sich jedoch weiterhin an ein striktes Trainingsprogramm, um weiterhin auf höchstem Niveau klettern zu können.
Als "Free Solo" das Publikum auf der ganzen Welt in seinen Bann zog, wuchs das Unternehmen zur Förderung seiner humanitären Projekte zu einer soliden gemeinnützigen Organisation, der Honnold Foundation, heran, die Initiativen zur Ausweitung des Zugangs zu Solarenergie für marginalisierte Gemeinden weltweit unterstützt.
Dass Honnold zielstrebig ist, ist spätestens seit "Free Solo" Common Sense: Er setzt sich Ziele, verfolgt sie mit konsequenter Entschlossenheit und Passion und stapelt weitere Ziele darauf. Hier erfährst du, wie er es geschafft hat, die Lektionen aus "Free Solo" in sein Leben einzuflechten.
01
Lege eine Routine fest und sei konsequent
Als Teenager in Sacramento, Kalifornien, fuhr Honnold fünf Tage die Woche mit dem Fahrrad zur Kletterhalle, trainierte stundenlang und fuhr dann nach Hause. "Meistens bin ich alleine gefahren, oder mein Vater ist mitgefahren", sagt er. "Rückblickend habe ich mir auf jeden Fall eine gewisse Grundlage für meine Ausdauer geschaffen. Wenn man in der High School 110 km pro Woche mit dem Fahrrad zurücklegt, ist das für ein Kind psychologisch gesehen eine ganze Menge. Das gab mir auch ein Gefühl der Unabhängigkeit."
Bei seinen Fahrten, die Honnold oft allein in der Dunkelheit unternahm (er vergaß gerne mal das Fahrradlicht), musste er den Weg nach Hause manchmal ertasten -- "es war stockdunkel, ich tastete mich immer am Weg entlang" - und sich seinen Ängsten stellen. Auf einem Abschnitt des Radwegs entlang des American River wurden Pumas gesichtet. "Ich hatte Angst, dass ich von einem Puma angegriffen werde", sagt er. "Alleine mit dem Fahrrad zu fahren ist irgendwie beängstigend."
Honnolds Fähigkeit, einen konsequenten Trainingsplan einzuhalten, zahlte sich aus, als er nach dem Release von "Free Solo" ständig für Events und Interviews unterwegs war. Ein ganzes Jahr lang folgte er dem Lattice-Trainingsplan, der ihn auf einem soliden Fitnesspfad hielt. "Ich glaube nicht, dass ich ohne diesen Plan auf dem Level geblieben wäre", sagt er.
Honnold ist überzeugt, dass der Lattice-Trainingsplan für den Erfolg seiner ersten 5.14d-Begehung der Route "Arrested Development" am Mount Charleston in Nevada, im September 2019 verantwortlich ist.
02
Wenn etwas schief geht, bleib ruhig
In den Memoiren von Dierdre Wolownick Honnold (Honnolds Mutter), "The Sharp End of Life: A Mother's Story", schreibt sie über die Zeit, als Honnold 2004 am Berg stürzte und gerettet wurde. Es war der Tag nach Weihnachten. Honnold war alleine mit Schneeschuhen zum Gipfel des Mount Tallac, einem fast 3.000 m hohen Berg in der kalifornischen Region Lake Tahoe, aufgebrochen, als ihn ein starker Sturm vom Sattel wehte. "Ich habe mir das Handgelenk gebrochen und mir das Gesicht aufgeschlagen. Ich war verletzt", erinnert er sich.
Mit einer Gehirnerschütterung und blutigen Wunden rief er seine Mutter an, die sofort die Rettung verständigte. Kurze Zeit später tauchte der Heli am Himmel über Honnold auf, der ihn in die Notaufnahme flog. "Ich hatte nicht viel Platz, das gefiel mir nicht wirklich. Ich weiß nur noch, dass ich ein kleines Nickerchen machen wollte, während sie mich irgendwohin geflogen haben."
Auch wenn seine Mutter überzeugt ist, dass Alex zurecht ins Krankenhaus geflogen wurde, teilt Honnold ihre Ansicht nicht. "Das hat mich nicht verändert. Es war keine traumatische Erfahrung. Wenn ich kein Handy gehabt hätte, wäre ich nach Hause gelaufen. Ich habe daraus gelernt, dass ich ruhig bleiben sollte."
2017 reiste Honnold nach Queen Maud Land in der Antarktis, wo er und Cedar Wright bei Temperaturen von -30°C drei bedeutende Erstbegehungen absolvierten. Bei der letzten und schwierigsten Besteigung rief er Wright mit Blick auf einen 45 m hohen möglichen Absturz zu: "Ich weiß nicht, ich habe wirklich Angst. Gib mir eine Minute." Nachdem er seine Fassung wiedererlangt hatte, beendeten die beiden ihre Erstbesteigung des 365 m hohen Mount Fenris.
03
Geduld ist eine Tugend
Kurz nachdem Alex Geschichte geschrieben hatte, indem er der erste Mensch war, der den El Capitan im Free Solo-Stil bezwang, kletterte er ihn erneut, diesmal mit seinem Partner Sam Crossley und seiner eigenen Mutter Dierdre, an einem einzigen sehr langen Tag. Für Alex, der normalerweise extrem rasant aufsteigt, bedeutete die Besteigung des 910 m hohen Felsens mit der 66-jährigen Dierdre, dass er es langsamer angehen musste
Vor ihrer Besteigung des El Captain kletterten die beiden lange Yosemite-Routen, darunter die "Matthes Crest Traverse" und die "Royal Arches"-Route. "Es war eine schöne Zeit, die wir zusammen verbringen konnten", sagte Honnold.
Und als Honnold und seine Mutter an Halloween 2017 den El Capitan kletterten, war das schwierigste, "geduldig zu sein. Einfach warten." Sie brauchten 13 Stunden für den Aufstieg und sechs Stunden für den Abstieg. Für den Abstieg braucht Honnold normalerweise eine Stunde, aber als die Minuten vergingen und die Nacht hereinbrach, blieb er geduldig an ihrer Seite, damit sie sich einen Platz in den Rekordbüchern als älteste Frau, die den El Capitan bestiegen hat, verdienen konnte.
04
Risiken einschätzen und minimieren
Am anderen Ende des Zeitspektrums stellten Honnold und Tommy Caldwell im Juni 2018 den Geschwindigkeitsrekord auf der berüchtigten "Nose"-Route im Yosemite mit 1h 58m auf. Eine Begehung der Nose unter zwei Stunden galt einst als unmöglich.
21 Min
Der "The Nose" Geschwindigkeitsrekord Teil 1
Alex Honnold und Tommy Caldwell stellen uns den Geschwindigkeitsrekord über "The Nose" auf den El Capitan in Kalifornien vor.
"Mit Tommy haben wir bei jedem Versuch ein bisschen Zeit gespart", erinnert sich Honnold. Mit jedem Versuch nahm das Team kleine Anpassungen vor, um die Effizienz zu steigern, und da die Besteigung im Rekordtempo bedeutete, alle Register zu ziehen, setzten sie sich nur an den Tagen, an denen es wirklich darauf ankam, extremen Risiken aus.
25 Min
Der "The Nose" Geschwindigkeitsrekord Teil 2
Alex Honnold kennt die Seile und strebt nach Perfektion, aber Tommy Caldwell ist neu im Speedklettern.
An dem Tag, an dem sie den Rekord aufstellten, ließ Caldwell versehentlich ein entscheidendes Ausrüstungsteil fallen, einen Griff, der zum Aufstieg am Seil dient und nur paarweise funktioniert. Um das zu kompensieren, musste er seine freie Hand benutzen, um das Seil schraubstockartig zu umklammern. Auf diese Weise kletterte er vom "Great Roof" auf zwei Dritteln Höhe bis zum Gipfel.
Die beiden haben im Laufe der Jahre schon bei mehreren großen Kletterprojekten zusammengearbeitet. Im Jahr 2014 kletterten sie in fünf Tagen die gewaltige 5.000er "Fitz Roy Traverse", eine der berühmtesten unbegangenen Routen im patagonischen Gebirge. Im Oktober 2019 haben die beiden eine weitere beeindruckende Begehung am El Capitan im Yosemite unternommen, die "Passage to Freedom" (5.13+).
26 Min
Der "The Nose" Geschwindigkeitsrekord Teil 3
Nach wochenlangem Training und mehr als einer Panne starten Alex Honnold und Tommy Caldwell den Rekordversuch.
05
Einflussreiche Projekte
Honnold hat sich eine beeindruckende Fangemeinde auf Social Media aufgebaut - 2,6 Millionen Fans auf Instagram -- wo er versucht, seine gemeinnützige Stiftung The Honnold Foundation zu pushen. Fünf Jahre lang, seit ihrer Gründung im Jahr 2012, hat er einen großen Teil seines eigenen Vermögens in die Organisation gesteckt, aber der Erfolg von "Free Solo" und seine wachsende Popularität haben ihm geholfen, seine Stiftung zu einem großen Erfolg zu machen.
"Das ist die beste und erfolgreichste Sache seit Free Solo", sagt er. "Das Fundraising läuft großartig und wir haben mehr Einfluss auf die Welt."
Abgesehen von ein paar Kampagnen seiner Sponsoren, sagt Honnold, dass das Geld "hauptsächlich von Einzelpersonen, vielen normalen Leuten" kommt.