Rap 💯
So kann's gehen – schon vor fast 15 Jahren konnte man Trettmann (damals noch: Ronny Trettmann) dabei zuhören, wie er sich auf Sächsisch an der damals durchaus existenten deutschen Reggae-Szene abarbeitete. Und ganz ehrlich hätte damals nie jemand für möglich gehalten, dass der Typ, der sich zwischendurch auch mal der "Deutsche Dancehall-Direktor" nannte, in der Saison 2016/2017 einen so kompletten und künstlerisch wie kommerziell erfolgreichen Relaunch seiner Karriere durchkriegen sollte – und es sich bis heute ganz weit oben bequem gemacht hat.
Trettmann neonleuchtender Don des gefühlsintensiven Autotune-Gesangs, Club-Ikone, Killerfeature der Deutschrap-Avantgarde und unverzichtbarer KitschKrieger. Sein Album "#DIY" war 2017 der endgültige Durchbruch, zwei Jahre später erschien "Trettmann" und wir scheinen trotz all der Historie immer noch recht weit am Anfang einer großen Geschichte zu stehen. In wenigen Songs skizzieren wir, wieso Trettmann einer der wichtigsten modernen Songschreiber und Vokalisten hierzulande ist.
Was soll's (mit Megaloh)
Legen wir den Startschuss für die Neuerfindung des Herrn Trettmann doch einfach mal in den Sommer 2015 – Tretti und Megaloh, Splash-Sommer, ordentliches Kush im Grinder. Also: was soll's?
120 Jahre (mit Haiyti)
In einem Alter, in dem viele Andere sich echt nicht mehr so fürs Nachtleben interessieren, mutiert ein frei assoziativer Trettmann zusehends zur Ikone der neuen Sound- und Feierästhetik. Die ebenso unwahrscheinliche wie stimmige Slacker-Kombo mit Haiyti bringt schon sehr viel davon auf den Punkt, produziert von KitschKrieg, deren Arbeit mit dem Trettmann der Neuzeit untrennbar verbunden ist.
Raver
"Techno und Boom Bap frustieren den Raver": Nochmal Musik übers Clubben, nur diesmal in krass dunkel, und plötzlich bist du Raver und Gangmitglied auf einmal, gegen all die Möchtegerngegner. Das hier und "120 Jahre" machen die "KitschKrieg 2" EP alleine schon unsterblich.
Adriano
Ebenso wie man sich schwertut, Trettmann zwischen Trap, Rap, Zukunftspop und Dancehall einzusortieren, transportieren seine Inhalte oft weit mehr als man denkt, wenn man nur die Hook mitschreit: "Adriano" ist Battlerap, Hoodtale, Hashtag-Memekram, Standortbestimmung und dann auch noch die popkulturelle Verneigung vor einem großen Nonkonformisten. So gehört sich das.
Anorak (mit Megaloh)
Next Level Surrealismus – die "Herb & Mango" EP mit Megaloh, natürlich komplett KitschKrieg-produziert, quillt über vor Lingo, geil verpackten Punchlines, absurder Angeberei und Flows, für die man Gliedmaßen aufzugeben bereit wäre. Swagger so anormal, er sagt's ja.
In meinem Leben
Auf "KitschKrieg 3" war dann auch dem letzten Hobbyhörer klar, dass hier gerade etwas überaus Spannendes vonstatten ging. Trettmann ging tief.
Billie Holiday
"Gib mir einen Song, den ich fühlen kann/Mir ist so wie Billie Holiday." Und wie wir das fühlen können, verdammt.
Grauer Beton
Es gibt diese Momente, in denen bei Künstlern, die man längst als hochtalentiert, schlau und stylish erkannt hat, endlich alles zusammenkommt – in denen das Versprechen eingelöst wird. Dieses Versprechen war bei Trettmann riesig, und "Grauer Beton" war dann noch viel größer. Das hier ist Musik mit der Tragweite von "Inner City Blues", Punkt.
Geh ran
Sprachlosigkeit wurde wirklich lange nicht mehr so gut in bedächtige, intime und absolut unpeinliche Worte gefasst. Wir verneigen uns vor Trettmann.
Stolpersteine
Blockbuster-Album Nummer zwei hatte einen Vorboten, der die Qualitäten von "Geh ran" aus dem Persönlichen in eine bedrückende und wichtige Allgemeingültigkeit überführt. Die Geschichte beginnt im Club und – nun ja, stolpert – in der Morgensonne tief in dunkle Geschichte. Gänsehaut.
Intro
Aber Trettmann wäre nicht Trettmann, würde er nicht die Kopflastigkeit und Ernsthaftigkeit solcher Songs wie "Stolpersteine" durch hymnenhafte Clubmusik ausbalancieren, ganz im Sinne seines Gesamtwerks. Das "Intro" von "Trettmann" ist inhaltlich ein eher unaufregendes "Was bisher geschah", musikalisch aber die Blaupause für eine minimalistische Neuinterpretation von Rave und Clubmusik, die das ganze Album auf ein neues Level hebt. "Was mich zu Tretti macht? Ich tu das, was mich happy macht!"
Villa auf der Klippe (mit Max Herre)
Wie kaum ein deutscher Superstar kann Tretti sich nach wie vor als Featuregast unterordnen, wenn die Kunst es erfordert. Das melancholische Duett "Villa auf der Klippe" mit Co-Altmeister Max Herre ist so ein Song – jede Silbe im Dienste der Stimmung, alles für den Tune. Und genau deswegen so schwer abzuschütteln.
Zeit steht (mit Alli Neumann)
Durch die Nacht mit Popgöttin Alli Neumann: noch so 'ne Hymne, aufgebrochene 90s-Dance-Ästhetik, die dank KitschKrieg plötzlich wieder am Puls der stillstehenden Zeit klebt, obendrauf eine Hook für die ganz großen Bühnen. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie man den Hunger eines Newcomers mit der Selbstsicherheit eines gestandenen Künstlers verbinden kann – Tretti-Style.