Ein Straßenbike, das weniger wiegt, macht dich nicht automatisch schneller. Dennoch zahlt es sich vor allem im Alltag aus, mit einem leichteren Bike unterwegs zu sein. Man bedenke alleine die Praktikabilität auf dem täglichen Weg zur Arbeit und auch, wenn es mal steil bergauf gehen sollte, ist man mit weniger Gewicht um einiges besser dran. Ein Bike mit geringem Gewicht kann also jede Menge Spaß machen, aber leider auch sehr teuer sein.
Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Herstellung eines solchen mit jeder Menge Tüftelei zusammenhängt. Es gibt dort draußen Leichtgewichts-Fanatiker, deren einziges Ziel es ist, das Gewicht eines Bikes weiter zu reduzieren. Gunter Mai ist einer davon. Er ist jener Mann, der das leichteste Straßenbike der Welt im Alleingang angefertigt hat. Danach nahm sich Fairwheel Bikes, ein Bike-Shop in Tucson (Arizona), dessen an und baute es mehrmals so um, sodass das Gewicht des Bikes noch geringer ausfiel.
Wir haben die Geschichte dahinter und zeigen dir, wie das leichteste Straßenbike der Welt gebaut wurde.
Das leichteste Bike der Welt hat keinen Namen. Als Gunter Mai das Original im Jahre 2008 gebaut hatte, wog es ein bisschen über 3 Kilogramm. Danach schaffte er es, das Gewicht auf 2,8 Kilogramm runterzubringen, bevor er 2010 wieder alles abmontierte und die Bestandteile an andere Leichtgewichtsfanatiker weiterverkaufte.
Der Großteil des Bikes – darunter der originale, maßangefertigte Rahmen – ging an einen Mitarbeiter von Fairwheel Bikes, einem Bike-Shop, der sich vor allem mit Leichtgewichts-Bikes beschäftigt und auch Einzelprojekte in Angriff nimmt. Bevor Gunter sein Bike ohne Namen gebaut hat, war gehörte Fairwheel mit seinem M2Racer Light der Rekord für das leichteste Bike der Welt.
Nach fast einem Jahr, in dem nach den restlichen Teilen gesucht und neue entworfen wurden, schaffte es Fairwheel das Bike, in minimalistischem Schwarz gehalten, auf 2,7 Kilogramm runterzubringen. Ziel war es, ein Bike zu kreieren, dass sich sowohl für den täglichen Weg zur Arbeit, sowie für steile Anstiege, als auch für Rennen hervorragend eignet.
„Wir hatten das Bike natürlich schon gesehen und wir hatten unsere eigenen Ideen dafür, wie wir das Gewicht weiter reduzieren könnten. Er (Gunter) war drauf und dann, unter 2,72 Kilogramm zu kommen und wir dachten uns damals, dass es echt Schade wäre, wenn er das um ein paar Gramm nicht schaffen würde“, erzählt Jason Woznick von Fairwheel Bikes.
Der Rahmen und die Gabel
Der Karbonrahmen wurde von der deutschen Firma Spin angefertigt und von Rahmenbauer Marc Siebert hergestellt. Er brachte das Gewicht auf unglaubliche 643,9 Gramm. Das war zudem auch der Rahmen, den Gunter auf seinem Original benutzte.
Auch bei der Gabel hat sich Fairwheel auf das Original verlassen und wurde vom deutschen Hersteller THM per Hand maßangefertigt. Das Gewicht der Gabel liegt bei 185,9 Gramm.
Das Cockpit
Die Lenkstange, der Vorbau, die Bremshebel und das Bremsgehäuse kommen gemeinsam auf nur 264,6 Gramm. Die Lenkstange aus Carbon wurde von Schmolkeauf einem Vorbau von NoRa angefertigt, während die Bremshebel aus umgebauten Campagnolo Ergos bestehen.
Schmolke zeigte sich auch für die Sattelstütze verantwortlich, die mit einem Tune Speedneedle-Sattel kombiniert wurde. Für die Gangschaltung wurde auf eine altbewährte Rahmenschaltung zurückgegriffen (eine solche ist leichter), die von BTP aus Karbonfaser hergestellt wurde. Ein klassischer Look also, auf den hier gesetzt wurde.
Die Reifen
Hier schaffte es Fairwheel im Vergleich zu Gunters Bike, am meisten Gewicht einzusparen. Letzteres hatte Lew-Reifen mit einem Gewicht von 709,6 Gramm drauf, aber Jason und sein Team haben diese durch eigene Maßanfertigungen ersetzt. Diese bestehen aus prototypischen Leichtfelgen von Ax-Lightness, die Radnaben sind von Dash, die Titan-Speichen von Pillarund die Reifen von Tufo. Das ganze Set kommt insgesammt auf 583 Gramm.
Fairwheel fügte dem Mix noch AX Lightness Orion-Bremsen zusammen mit BTP Rennbelägen hinzu, was das Gewicht tatsächlich etwas erhöhte. Die Bremsen kommen nun auf 103,5 Gramm. Die Bremsen von Gunter wiegten zuvor nur 71,6 Gramm.
Der Antrieb
Fairwheel wechselte die THM Clavicula-Kurbel von Gunter mit einen Prototyp von Myth aus den Niederlanden aus. Das brachte das Gewicht von 298 Gramm auf 281,4 Gramm runter.
Weiteres Gewicht konnte durch ein Keramik-Tretlager und Kettenringen aus Karbonfaser von Fibre-Lyte eingespart werden. Die Kette wurde durch eine Titankette ersetzt, die von der taiwanesischen Firma YBNhergestellt wurde. Zudem wurden maßangefertigte Pedale von Aeroliteverwendet, wie sie auch auf Gunters Original zu finden waren, nur hat sich Fairwheel für eine leichtere Version derselben entschieden.
Für die hintere Kettenschaltung verwendete Fairwheel eine SRAM Red, die schwerer, als die Huret/BTP von Gunter ist. Weiter vorne ist eine Campagnolo Record-Schaltung angebracht.
Die Zukunft
Die Materialen genauso wie die Herstellungsprozesse haben sich über die letzten Jahre weiterentwickelt, warum es auch Sinn machen würde, weiter am leichtesten Bike der Welt zu arbeiten, um unter die genannten 2,7 Kilogramm zu kommen. Jason von Fairwheel stimmt zu, dass es kein Problem wäre, eine noch leichtere Version zu bauen, doch ist ein solches Projekt momentan kein Thema:
Ich habe mich dazu entschlossen, nicht mehr weiterzugehen, obwohl eine leichtere Variante auf Papier natürlich möglich ist. Dieses Mal reicht es mir, einfach zu wissen, dass ich in der Lage dazu wäre, ein noch leichteres Bike zu bauen.
Zum Vergleich
Das leichteste Bike, das es momentan zu kaufen gibt, ist das AX Lightness VIAL Evo Ultra, das mit einem Gesamtgewicht von 4,4 Kilogramm daherkommt. Die AX-Komponenten sind besonders leichte Maßanfertigungen, es hat einen eigenen Rahmen (der ca. 660 Gramm wiegt) und die Bestandteile bestehen vorwiegend aus Karbonfaser. Mit einem Preis von rund 15.000 € ist das VIAL Evo Ultra aber nur etwas für den dicken Geldbeutel.