Ultrarunning
Mehr Höhe- als Tiefpunkte: Alles, was du über Fernanda Maciel wissen musst
Seit sie ihre Karriere in Brasilien an den Nagel hing, um sich der weltweit schwierigsten Gelände zu widmen, ist Fernanda Maciel zu einer der erfahrensten Ultrarunnerinnen der Welt geworden.
Auf 4’478m Höhe erlebte Fernanda Maciel auf dem Matterhorn ihre ganz eigene Tragödie mit Spitalaufenthalt. Vor kurzem aber bekämpfte sie ihre Dämonen und erreichte die Spitze in den gleichen 24 Stunden wie sie den Gran Paradiso bestieg.
Nach dieser emotionalen, mentalen und physischen Leistung gibt es 10 Dinge, die du über die Brasilianerin wissen musst.
1. Sie arbeitete als Rechtsanwältin für Umweltrecht
Bevor sie sich zu 100% dem Ultrarunning widmete, arbeitete Maciel als Anwältin für Umweltrecht in ihrer Heimat Brasilien. Sie arbeitete fünf Jahre in diesem Bereich, bevor sie vor 15 Jahren entschied, ihrer Karriere den Rücken zu kehren.
Über ihre damalige Arbeit sagt sie: «Ich habe meinen Entscheid, den Beruf als Anwältin zu verlassen, nie bereut. Wenn man für den Staat und das Land arbeitet, realisiert man schnell, dass viel Politik und Bürokratie im Spiel ist.»
2. Der Free Solo Star inspiriert sie
Die Brasilianerin hat zwei Vorbilder innerhalb der Running- und Kletterszene: Den Extrem-Skibergsteiger Hilaree Nelson und Alex Honnold, der erste Bergsteiger, der im Free Solo den El Capitan im Yosemite-Nationalpark bestieg.
Es sind weniger die sportlichen Leistungen, sondern andere Dinge, die sie inspirieren. Sie sagt: «Alex zum Beispiel hat eine Stiftung gegründet und ich unterstütze das. Mir gefällt der Gedanke sehr, dass man als Athlet anderen helfen kann.»
3. Sie strebt auch Perfektion an…wie Nadia Comaneci
In ihrer Jugend war sie eine aufstrebende Kunstturnerin – ihre erste sportliche Leidenschaft – und ihr Vorbild war Nadia Comaneci. Die rumänische Kunstturnerin sicherte sich an den Olympischen Spielen 1976 mit der Höchstnote 10 die Goldmedaille und einen Platz in den Geschichtsbüchern.
«Sie war die einzige, die absolute Perfektion verkörperte», sagt Maciel. «Dafür musste sie wahrscheinlich auch sehr viel trainieren. Bei gewissen Sportarten braucht es einfach viel Training, um zum Champion zu werden. Aber im Kunstturnen braucht es nebst unglaublich viel Training auch Talent. Für mich holte sie das Meiste aus ihrem Potential heraus.»
4. Ihr Traum ist es, den Mount Everest hoch zu rennen und zu klettern
Wenn Geld kein Thema wäre, würde die 40-Jährige den Everest in Angriff nehmen und ihn hochrennen – das wäre ihre Traumleistung.
Ob sie das jemals machen wird, weiss sie nicht. Sie sagt: «Mein Traumprojekt ist der Everest, aber das kostet viel Geld. Ich hoffe, dass ich es irgendwann mal in der Zukunft machen kann. Ich muss wirklich mehr Erfahrungen sammeln. Nächstes Jahr möchte ich 8’000m im Hochgebirge rennen. Es ist wirklich wichtig, dass ich Erfahrungen in hochalpinen Gebirgen sammle und meine Geschwindigkeit kennenlerne.»
5. Ihr Grossvater wollte mit 75 wieder mit Jiu Jitsu anfangen!
Maciels Genpool kommt nicht aus einer Familie von Ultrarunnern oder Bergsteigern, sondern aus der Welt des Kampfsports.
Ihr Grossvater war Jiu Jitsu Meister und ihr Vater Capoeira Meister. Sie und ihre Familie aber mussten den Grossvater zurückhalten, als er mit 75 entschied, wieder zum Kampfsport zurückzukehren. Sie sagt: «Mein Grossvater wollte wieder zurück in den Kampf als er 75 war, aber das war zu gefährlich!»
Seit ich 15 Jahre alt war, wusste ich, dass der Umweltschutz meine Mission ist.»
6. Sie rannte zur Schule, denn das war schneller und günstiger als den Bus zu nehmen
Als Schülerin entschied Maciel, dass sie am schnellsten ist, wenn sie zur Schule rennt.
Sie erklärt: «Es war schneller zu rennen, als den Bus zu nehmen. Und ich wollte meinen Vater nicht um Geld für den Bus bitten. Also rannte ich zur Schule und zurück. Die Schule befand sich auf einem Hügel, also rannte ich hoch und wieder runter ¬– das war sehr hart, sehr steil.»
7. Auf ihrem Aufstieg zum Matterhorn hatte sie Angst zu erblinden…
Bei einem früheren Versuch, das Matterhorn zu besteigen, waren die Wetterbedingungen so schlecht, dass ihre Augenlider zufroren und sie Angst haben musste, zu erblinden.
In Erinnerung an diesen Moment sagt sie: «Ich konnte die Augen nicht öffnen und ich lag drei Tage alleine im Spital. Ich war in diesem Spital und niemand sprach Englisch. Am zweiten Tag kam eine Pflegerin, die aus Italien war und sie konnte mit meinem Handy einen Freund anrufen und sagen, dass ich da bin. In dieser Zeit dachte ich, dass ich erblinde – ich hatte nie so sehr Angst wie in diesem Moment.»
8. Ihr Mitbewohner Gonzalo verlor sein Leben auf demselben Berg
Eine weitere Tragödie erreichte Maciel als ihr argentinischer Mitbewohner mit einem britischen Kunden das berüchtigte Matterhorn bestieg und dabei sein Leben verlor. Dieser harte Schicksalsschlag machte ihren eigenen Aufstieg zur «emotionalen Herausforderung».
Sie erinnert sich: «Ich verlor Gonzalo. Einen Tag zuvor assen wir noch zusammen zu Abend. Am nächsten Tag fuhr ich für ein Rennen nach Österreich. Als ich dort ankam, sagte mir ein Kollege, dass ein grosser Fels sich gelöst habe und Gonzalo sowie seinen britischen Kunden tötete. Das traf mich sehr und ich konnte kein gutes Rennen machen.»
9. Ein Tag nachdem sie das Matterhorn eroberte, gab es einen riesen Erdrutsch
Maciel war sich noch nicht sicher, ob sie ihre Gran Paradiso-Matterhorn Double-Challenge am Donnerstag oder Freitag machen sollte. Sie entschied sich schliesslich für Donnerstag. Eine weise Entscheidung in Anbetracht der Ereignisse des Folgetages.
Sie erzählt: «Am Freitag rettete ein Helikopter 20 Alpinisten, die in einen Erdrutsch kamen. Ich hatte auf diesem gefährlichen Berg sehr viel Glück. Wegen dem Klimawandel lösen sich immer mehr Felsgesteine.»
10. Sie möchte mit dem Rennen einen Beitrag zur Rettung des Planeten leisten
Nebst den verschiedenen Expeditionen ist der Klimawandel ihre treibende Kraft sowohl in ihrem sportlichen wie auch in ihrem restlichen Leben.
Sie erklärt ihre grüne Herangehensweise im Sport und Leben folgendermassen: «Seit ich 15 Jahre alt war, wusste ich, dass meine Aufgabe auf dieser Welt der Umweltschutz ist. Ich liebe die Natur und in den Bergen fühle ich mich wie zuhause. Das ist mein Zuhause und das ist der Grund, wieso es mir so viel Freude bereitet. Ich denke, dass ich Menschen in den Bergen besser inspirieren kann – es kommen mehr gute Sachen dabei heraus, als damals, als ich noch drinnen gearbeitet habe.»
«Die Herausforderung ist vordergründig immer auf sportlicher Ebene. Aber es geht auch um soziale Themen wie die Klimaerwärmung zu verlangsamen und aufzuzeigen, dass die Gletscher immer mehr zurückgehen. Wie das Matterhorn zum Beispiel. Jedes Jahr wird es gefährlicher, denn es gibt immer mehr Gletscherspalten und Erdrutsche. Man kann mit eigenen Augen den Klimawandel sehen.»