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Im vergangenen Jahr endete Far Cry 5 von Ubisoft mit einem gewaltigen Cliffhanger. Jetzt wissen wir endlich auch, warum das so war: die Geschichte um „Vater“ Joseph Seed und Hope County war noch nicht zu Ende. Far Cry New Dawn schickt sich als Spin-off zum fünften Hauptteil an, die offenen Fragen zu klären. Allerdings hält der postapokalyptische Open-World-Shooter auch einige spannende Neuerungen bereit.
Far Cry New Dawn ist neben Rage 2 der Beweis, dass die Apokalypse nicht immer nur düster und grau sein muss.
Ende der Welt oder neuer Anfang
Solltet ihr Far Cry 5 noch nicht gespielt haben (unbedingt nachholen!), müsst ihr euch leider auf einige Spoiler gefasst machen. Die Geschichte von New Dawn lässt sich allerdings nicht erklären, ohne auf die Geschehnisse des vorangegangenen Ablegers zu sprechen zu kommen. Doch keine Sorge, wir fassen uns kurz.
Far Cry 5 gipfelte vor ziemlich genau einem Jahr im Ende der Welt. Nachdem wir dem „Vater“ Joseph Seed und seinen Sektenbrüdern und -schwestern das Handwerk gelegt haben, deckte der mal eben unseren Planeten mit Atombomben ein, die jegliches Leben auslöschen sollten. Mit Ausnahme des Vaters versteht sich, der sich in einen Bunker flüchten konnte und uns als willenlosen Sklaven zum Aufbau einer neuen Weltordnung missbraucht.
Doch offenbar hatten auch einige Bewohner des beschaulichen Hope County vorgesorgt, denn ein kleiner Teil der Menschheit hat überlebt. Far Cry: New Dawn setzt 17 Jahre nach den Ereignissen von Teil fünf an, genauer gesamt im Jahr 2035. Nach dem nuklearen Winter begann die Natur, sich ihren Platz auf dem Planeten zurückzuerobern: das Ergebnis ist eine beeindruckende Mischung voller Relikte einer vergangenen Zivilisation und einer wunderschönen und farbenfrohen Flora.
Doch das Ende der Welt ging natürlich nur spurlos an den letzten Überlebenden vorüber. Nachdem wir als Captain einer Wiederaufbautruppe den schützenden Bunker verlassen dauert es nicht lange, bis wir unliebsame Bekanntschaft mit den skrupellosen Highwaymen und ihren Anführerinnen Micky und Lou machen.
In bester postapokalyptischer Tradition zieht diese wahnsinnige Truppe durch die Lande, um sich die letzten verbliebenen Ressourcen zu krallen und für Angst und Schrecken zu sorgen. Natürlich liegt es wieder einmal an uns, den ersten weiblichen Antagonisten in der langen Geschichte der Reihe das Handwerk zu legen.
Allzu vertraut: Far Cry 5 2.0?
Far Cry New Dawn baut als Spin-off auf Far Cry 5 auf. Ubisoft hat sogar verraten, dass die Idee zum neuesten Teil schon deutlich länger in den Köpfen der Entwickler herumgeisterte und dass man das Ende des vorangegangenen Ablegers bewusst so gewählt habe.
Wer von dem postapokalyptischen Open-World-Shooter also ein frisches Gameplay oder gänzlich neue Möglichkeiten erwartet, könnte enttäuscht werden: New Dawn fühlt sich weitestgehend so an wie sein Vorgänger. Es spielt in derselben Welt, es baut auf denselben Mechaniken auf und bietet größtenteils dieselben Möglichkeiten.
Ähnlich verfuhr man in der Vergangenheit bereits mit dem Steinzeitableger Primal, das ebenfalls in derselben Welt wie sein direkter Vorgänger angesiedelt war. Doch durch den Wechsel der Epoche überzeugte das Spiel seinerzeit mit einem ganz eigenen, frischen Ansatz. Ganz so stark unterscheidet sich New Dawn nicht von Far Cry 5. Das bedeutet aber nicht, dass das Spin-off schlechter wäre oder gar nichts Neues zu bieten hätte.
Alt gegen neu
Die ersten Schritte in der neuen Welt fühlen sich als Kenner des Vorgängers nur allzu vertraut an. In Fall’s End und den anderen Gebieten Montanas finden wir uns sofort wieder zurecht. Obwohl von den einstmals beschaulichen Orten nicht mehr viel übrig ist, doch überwucherte Brücken und rostige Baumhäuser entfalten ihren ganz eigenen Charme.
Relativ zu Beginn des Spiels führt uns Far Cry: New Dawn in die Basis der Überlebenden, genannt Prosperity. Als Kenner des Vorgängers erkennen wir darin sofort John Seeds gewaltige Ranch wieder. Doch die ehemalige Kultisten-Festung hat weit mehr zu bieten, als nur wohlige Erinnerungen. Der Ausbau der eigenen Basis ist eine der wichtigsten Neuerungen des Spiels und nimmt einen entsprechend hohen Stellenwert in der Haupt-Story ein.
Anfangs gibt’s in der Basis noch nicht viel zu sehen, doch im Verlauf der Zeit können wir neue Gebäude errichten, Gärten anlegen und Strukturen aus dem Boden stampfen. Das sorgt für ein „Zuhause“-Gefühl, wie es keinem der vorangegangenen Teile gelang. Es ist einfach schön zu sehen, wie sich die eigene Festung im Verlauf der Handlung weiterentwickelt. Wie sich immer neue Verbündete in unserer Nähe niederlassen und wie Kinder in unserem Garten Fangen spielen.
Der Ausbau der Basis ist an unseren Fortschritt in der Story geknüpft. Gleichzeitig benötigen wir für jedes der mehrstufigen Upgrades aber auch Ethanol – die wichtigste Ressource in Far Cry New Dawn. Natürlich haben sich die fiesen Highwaymen den Ethylalkohol unter den Nagel gerissen, den sie nicht kampflos wiederhergeben.
Zeit zurückzuschlagen
Die Möglichkeiten, den Bösewichten die wertvolle Ressource wieder abzuluchsen, werden Kennern des Vorgängers vertraut vorkommen. Abermals kapern wir Versorgungstrucks, sacken Vorratslieferungen ein oder übernehmen Außenposten der Bösewichte. Das ist nicht neu, macht aber noch genauso viel Spaß wie eh und je.
Neu hingegen die Möglichkeit, bereits befreite Außenposten erneut anzugehen. Dann bekommen wir es mit deutlich mehr und stärkeren Feinden zu tun, erhalten allerdings auch bessere Belohnungen. Natürlich empfiehlt sich abermals das möglichst leise Vorgehen, für das uns Far Cry New Dawn viele neue und bekannte Optionen an die Hand gibt.
Während das Waffenarsenal von Far Cry New Dawn größtenteils die Genrestandards bedient, hat es die Mischung aus Kreissäge und Armbrust absolut in sich: als wäre es eh nicht schon cool genug, unsere Feinde mit Sägeblättern zu beschießen, prallen die Geschosse sogar von Umgebungen ab und zerteilen alles, was nicht bei Drei auf dem Baum ist. Ziemlich cool. Ravenholm auf Half-Life 2 lässt grüßen.
Natürlich sammeln wir erneut unzählige Materialien, aus denen wir Munition, Waffen oder Heilgegenstände zusammenschustern. Außerdem verwenden wir Schrauben und Co, um nach Herzenslust an unseren Waffen zu basteln und diese nach unserem Gusto aufzuwerten. Hier folgt das Spiel einem leichten RPG-Ansatz, denn die Waffen liegen in verschiedenfarbigen Stufen vor, die ihre Stärke wiederspiegeln.
Noch mehr Rollenspiel
Dieser Rollenspiel-Ansatz geht allerdings noch deutlich weiter: selbst unsere Feinde haben nun verschiedene Stufen, die ihre Stärke symbolisieren. Je höher der Gegner, desto größer die Herausforderung. Besonders die stark gepanzerten Enforcer stellen uns im Verlauf des Spiels immer wieder vor Probleme.
Glücklicherweise können wir uns im Spielverlauf die Hilfe zahlreicher Verbündeter zunutze machen: die „Guns and Fangs for hire“ sind zurück und noch verrückter als in Far Cry 5. Eine durchgeknallte Scharfschützen-Oma und ein Wildschwein außer Rand und Band sind nur zwei Beispiele dafür.
Doch die menschlichen Feinde sind nicht die einzige Gefahr, die uns im postapokalyptischen Montana erwartet. Abermals nehmen wir es mit der örtlichen Fauna auf, die um ein paar besonders knackige, mutierte Tiere ergänzt wurde. Neben den obligatorischen Sammelobjekten erhöhen Schatzsuchen und gelungene Nebenmissionen die Spielzeit, in denen wir es mit teils aberwitzigen Charakteren zu tun bekommen – einig davon kennen wir bereits aus Far Cry 5 und natürlich darf auch Hurk nicht fehlen. Auch die Skill-Trees und dafür nötigen Talentpunkte feiern ein Comeback.
Amerika-Rundreise
Wer es bis jetzt noch nicht gemerkt hat: Far Cry New Dawn orientiert sich spielerisch stark an seinem direkten Vorgänger. Gameplay, Missionsdesign und Nebenbeschäftigungen gleichen sich fast wie ein Ei dem anderen. Wer mit Far Cry 5 nicht warm wurde, wird also auch in der Endzeit nicht glücklich werden. Doch wer bereits mit dem Kampf gegen die Sekte Spaß hatte, wird New Dawn lieben.
Das neue Setting steht der klassischen Far Cry-Formel jedenfalls hervorragend zu Gesicht und überzeugt mit einer wunderschönen Optik voller satter Farben und beeindruckender Szenerien. Auch die Vertonung liegt auf hohem Niveau und überzeugt mit einem coolen Soundtrack und gelungenen Sprechern.
Allerdings leidet das Spiel unter denselben Fehlern, wie Teil fünf: die KI agiert teils noch immer strunzdumm, die Nebencharaktere bleiben ähnlich flach und die spielerische Abwechslung hält sich in Grenzen. Zudem kam es (trotz installiertem Day-One-Patch) immer wieder zu kleineren Bugs. So ließen sich manche Missionen nicht direkt starten, während einige Tiere und Feinde lustigerweise pausenlos im Kreis rannten.
Eine der wichtigsten und interessantesten Neuerungen sind wir euch allerdings noch schuldig geblieben: die Expeditionen. Dabei handelt es sich um besondere Missionen, die euch in verschiedene Gebiete in den USA führen und uns einen Einblick darauf liefern, wie die Atombomben die Welt verändert haben.
Mit dem Hubschrauber reisen wir beispielsweise in einen heruntergekommenen Freizeitpark oder zum Grand Canyon, wo wir es mit besonderen Missionen zu tun bekommen. Auch die Expeditionen sind wiederholbar, Feindpositionen und Loot wechseln bei jedem Versuch.
Das macht natürlich im Hinblick auf den Koop-Modus Sinn, denn wir können Far Cry New Dawn komplett mit maximal zwei Spielern bewältigen, allerdings nur online und nicht an einer Konsole. Einen klassischen Multiplayermodus hingegen gibt es nicht.
Fazit: Gewohntes Gameplay mit frischen Ideen
Far Cry New Dawn erfindet das Rad keinesfalls neu. Im Grunde genommen handelt es sich um Far Cry 5 mit einem anderen Setting und ein paar frischen Ideen. Doch ist das etwas Schlechtes? Bereits der fünfte Serienteil war ein hervorragender Open-World-Shooter, der mit einer spannenden Welt und zahlreichen Aufgaben für eine Menge Spaß sorgte. Das frische Endzeit-Szenario, die abwechslungsreichen Expeditionen und der Aufbau der eigenen Basis sorgen in Far Cry New Dawn für Abwechslung.
Gelungener Shooter-Sandkasten, der mit teils beeindruckenden Umgebungen für Frühlingsgefühle sorgt, in seinen Möglichkeiten aber weiterhin dem dritten Teil nachjagt und wirklich neue Ideen vermissen lässt.