© Romina Amato / Red Bull Content Pool
Cliffdiving
So hält sich Cliff Diver Constantin Popovici topfit
Der durchtrainierte rumänische Cliff Diving-Champion spricht über sein einzigartiges Trainingsprogramm, das ihn an die Weltspitze katapultiert hat.
Starker Körper, starker Geist. Das ist das Mantra des amtierenden Red Bull Cliff Diving World Series-Champions Constantin Popovici, dem superfitten "rumänischen Hai", der für seine unglaubliche Ausdauer und Entschlossenheit bekannt ist.
Popovici ist bereits seit 1997 Cliff Diver, angetrieben von seinem ultimativen Ziel, einfach "der Beste" zu sein. Im Alter von 35 Jahren erfüllte er sich in der letzten Saison in Auckland, Neuseeland, endlich seinen ganz großen sportlichen Traum: Als erst fünfter Cliff Diver in der Geschichte der Red Bull Cliff Diving World Series durfte er die heiß begehrte King Kahekili Trophäe mit nach Hause nehmen. Und das im selben Jahr, in dem er bei den World Aquatics High Diving World Championships in Fukuoka, Japan, Gold holte.
Diese Sternstunde war zweifelsohne das Ergebnis von Popovicis unermüdlichem Fleiß. Mehr als fünf aufreibende Saisons lang hat der Rumäne unzählige Stunden im Fitnessstudio, im Schwimmbecken und auf der Plattform verbracht. Nach einigen schmerzhaften Verletzungen musste er mehrfach in die Reha, um seine Physik zu verbessern und seine Sprünge zu perfektionieren. Erst dann konnte er wieder absolute Höchstleistungen erbringen und nach den Sternen greifen.
Eine schnelle Genesung
Popovici kehrte als amtierender Champion für 2024 auf die Plattform zurück, aber seine Saison war alles andere als einfach. Nach einem perfekten Start mit einem ersten Platz in Athen zum Saisonauftakt musste Popovici beim zweiten Stopp in Boston (USA) aufgeben, nachdem er sich eine schwere Verletzung am Knie zugezogen hatte.
Der Titelverteidiger, der in der Luft bis zu 85 km/h schnell war und mit bis zu 10 G mit den Füßen voran auf das Wasser aufschlug, tauchte beim US-Stopp nicht ganz gerade ein. Als er auftauchte, hatte Popovici sichtlich Schmerzen und wurde von den Sanitätern aus dem Wasser getragen.
Eine MRT-Untersuchung ergab, dass der Rumäne sein Knie überstreckt hatte, was zu Prellungen der Knochen und Knorpelschäden führte. Nach dieser Hiobsbotschaft rechnete niemand damit, dass der Rumäne nur zwei Wochen später bei der nächsten Station in Polignano a Mare wieder im Einsatz sein würde... geschweige denn, dass er den Wettkampf ganz oben auf dem Podium beenden würde.
Aber wie hat er das geschafft?
"Ich habe viel Physiotherapie gemacht, viel Manipulation, viel Kompression und Dekompression, viel Eis und viel Wärme", erinnert sich Popovici. "Ich habe viel Argila [eine natürliche blaue Tonerde mit mineralischen Eigenschaften] aufgetragen, damit sich der Knochen erholen kann. Jede Nacht wickelte ich mein Knie damit ein und am Morgen reinigte ich es, dann trug ich andere Dinge wie entzündungshemmendes Gel und Schmerzmittel auf."
Zu Popovicis Genesung gehörten auch eine Magnettherapie und eine PRP-Injektion (Platelet-Rich Plasma) in das Knie. "Bei der PRP-Behandlung wird etwas Blut entnommen und durch Schleudern in Plasma aufgetrennt, das zusammen mit Hyaluronsäure dann injiziert wird, um die Genesung zu beschleunigen", erklärt er.
"Es war eine wirklich schnelle Genesung. Ich habe andere Leute mit der gleichen Verletzung gesehen, die zwei bis drei Monate brauchten, um sich zu erholen, aber ich ich war nach zwei Wochen wieder im Wettkampf."
Vorbeugung ist der Schlüssel
Popovicis unglaubliche Fitness war natürlich auch ein Faktor für seine Genesung. Da sein Körper den enormen Kräften des Cliff Divings standhält, weiß Popovici auch, wie er Verletzungen vorbeugen kann.
"Ich trainiere viel zur Vorbeugung von Verletzungen, die ich schon einmal hatte, z. B. meine Leiste, mein Rücken und jetzt natürlich mein Knie", sagt Popovici. Nachdem er sich von seiner Knieverletzung erholt und die Muskeln wieder aufgebaut hat, arbeitet er weiter daran, seine Kniestruktur stark zu halten. Zu den Übungen gehören Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht, Lunges, Kniestrecken und Glute Bridges.
"Ich habe in meiner Cliff Diving-Karriere gelernt, dass ich erkennen muss, wie ich besser werde und dieses Niveau beibehalten kann. Es ist nicht immer perfekt, aber dieser Ansatz ermöglicht es den Athleten, bis in ihre 40er hinein Wettkämpfe zu bestreiten", sagt er.
Ziele, Ziele, Ziele
Als einer der Titanen des Cliff Divings ist Popovici für seine unglaublich dynamischen und komplexen Sprünge bekannt, die zu den härtesten des Wettkampfs gehören. In weniger als drei Sekunden führt der rumänische Athlet eine atemberaubende Reihe von Manövern aus, wie zum Beispiel seinen Optional Dive - ein Armstand Back 3 1/2 Somersaults 3 Twists Pike.
Um immer wieder den perfekten Sprung hinzulegen, muss Popovici Athletik, Schnelligkeit und Beweglichkeit perfekt miteinander vereinen und gleichzeitig so trainieren, dass er immer in Bestform ist.
Wenn du dir Bruce Lee ansiehst, wie er superschlank war, aber nur Muskeln hatte, dann ist es im Grunde das, was ich will, damit ich die Geschwindigkeit für meine Optional Dives habe.
"Als Cliff Diver ist es mein allgemeines Fitnessziel, so schlank wie möglich zu sein, aber auch Muskeln zu haben", sagt er. "In meinem speziellen Fall brauche ich mehr Geschwindigkeit, weil ich sehr schwierige Sprünge mache. Und natürlich bin ich nicht mehr 20 Jahre alt, um mich auf natürliche Weise so schnell zu drehen. Wenn du dir Bruce Lee ansiehst, wie er superschlank war, aber nur Muskeln hatte, ist es im Grunde das, was ich will, damit ich die Geschwindigkeit für meine Optional Dives habe."
Trainingsplan
Der Kalender der Red Bull Cliff Diving World Series ist enorm intensiv und teilweise finden in zweiwöchigen Abständen Events statt, die tausende von Kilometern auseinander liegen. Da jeder Sprung aus 27 Metern Höhe seinen Tribut von den Athlet:innen fordert, muss man während der Saison das richtige Gleichgewicht finden, um Überbelastung, Ermüdung und Verletzungen zu vermeiden. Wenn ein Wettkampf bevorsteht, reduzieren viele Athlet:innen sogar ihr Trainingspensum, um ein Burnout zu vermeiden.
"Wenn ein Wettkampf bevorsteht, schraube ich die Intensität meines Trainings, meiner Sprünge und meiner Trainingseinheiten herunter und mache nur das Minimum, das mein Körper braucht", erklärt Popovici. "Jeder sollte seinen eigenen Körper kennen - ich kenne meinen und weiß, wie stark ich mich belasten kann, wenn ich diese oder nächste Woche einen Wettkampf habe", fährt er fort.
In den Wochen vor einem Wettkampf reduziert der 36-Jährige sein Trainingspensum um 40 bis 50 Prozent, bei aufeinanderfolgenden Wettkämpfen manchmal auch mehr. "Man muss entsprechend planen und seine Grenzen kennen, wissen, wie viel man sich anstrengen kann, um die Anzahl der Wettkämpfe durchzuhalten", fügt er hinzu.
Jeder sollte seinen eigenen Körper kennen - ich kenne meinen, ich weiß, wie stark ich mich belasten kann.
Aber wenn die Red Bull Cliff Diving World Series 2024 am 10. November zu Ende geht, plant Popovici zwei Wochen Reisen in Australien mit minimalem Training, bevor er wieder voll ins Geschäft einsteigt. "Nach Sydney werde ich bis April keine Wettkämpfe mehr haben. In dieser Zeit werde ich also meinen Körper für das nächste Jahr in Form bringen. Es dauert zwei bis vier Monate, um alles perfekt einzustellen und mit frischer Kraft in die neue Saison zu starten."
Wie sieht also das Training eines erfahrenen World Series Champions aus?
Kraft und Energie
In der Nebensaison findest du den Goldmedaillengewinner bis zu dreimal pro Woche im Fitnessstudio, um mit Gewichten zu trainieren. In dieser Zeit konzentrieren sich die weltbesten Cliff Diver in der Regel auf die Steigerung ihrer Kraft, und für Popovici ist es auch eine Zeit, in der er an der Verbesserung der Muskelfasern arbeitet - insbesondere der schnellkräftigen Muskelfasern, die für die explosive Absprungbewegungen von der Plattform und die Geschwindigkeit in der Luft verantwortlich sind. Gewichte mit niedrigen Wiederholungen, Box Jumps und Jump Squats sowie isometrische Übungen wie seitliche Planks und Wall Sits können Teil des Trainingsplans eines Cliff Divers sein.
Für die Profis ist es außerdem enorm wichtig, dass sie nicht zu viel Körperfett aufbauen, denn sie brauchen einen starken Rumpf und maximale Stabilität sowie Kraft und Beweglichkeit im Ober- und Unterkörper, um die adrenalingeladenen akrobatischen Bewegungen ausführen zu können. Kniebeugen, Lunges, Kettlebell Swings und kombinierte Übungen wie vorgebeugtes Rudern oder Klimmzüge können Teil des Krafttrainings sein.
Manche Cliff Diver konzentrieren sich auch auf plyometrische Übungen - explosive Widerstandsübungen mit dem Körpergewicht, die den Stretch-Shorting-Cycle (SSC) nutzen - wie Hüftstöße, Russian Twists und Reverse Lunges mit der Langhantel, um die Muskelkraft und -leistung zu steigern und die Bewegungen zu optimieren.
Kardiotraining ist jedoch kein Schwerpunkt für Popovici. "Mein Aufwärmprogramm ist zumindest kardio-orientiert, aber Laufen oder Radfahren stehen bei mir nicht wirklich auf dem Programm. Um ehrlich zu sein, schone ich meine Beine, weil sie schnell müde werden, also will ich so viel Energie wie möglich für die Sprünge sparen", erklärt er.
Der "rumänische Hai" - so wurden Popovici und sein rumänischer Landsmann Catalin Preda von Gary Hunt genannt, als sie begannen, dem Briten ernsthaft das Podium streitig zu machen - trainiert hauptsächlich im Wasserbecken, während er zusätzlich etwa ein bis eineinviertel Stunden Krafttraining, Drills und Simulationen von Saltos und Drehungen auf der Matte oder auf dem Trampolin absolviert.
Ein Vorteil einer langen Karriere ist auch, dass Popovici seine Reps im Schwimmbad reduzieren kann.
"Jetzt, wo ich älter bin und so viel Erfahrung habe, kann ich wegen meiner Muskelgedächtnisses weniger Sprünge machen. Mein Körper weiß einfach, was zu tun ist. Ich mache weniger als die Hälfte der tatsächlichen Sprünge als jemand, der um die 20 Jahre alt ist. Anstatt 80 Wiederholungen pro Training im Pool zu machen, mache ich 20 oder 30, in der Nebensaison vielleicht etwas mehr", sagt er.
Jetzt, wo ich älter bin und so viel Erfahrung habe, kann ich wegen meines Muskelgedächtnisses weniger Sprünge machen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Popovici seine Liste der möglichen Wettkampfsprünge ganz genau kennt, so dass er keine Zeit damit verbringen muss, neue Abläufe zu lernen und zu verfeinern.
"Für jüngere Athleten, die gerade erst anfangen, gibt es immer wieder neue Sprünge, und es ist immer beängstigend, neue Sachen auszuprobieren. Du musst planen, wann du genug Zeit zum Üben hast, und dann vielleicht den ganzen Sprung mindestens einmal wiederholen, damit du dir sicher bist, dass du diesen beherrschst", erklärt er. "Natürlich ist jeder Cliff Diver anders, und in letzter Zeit haben viele Coaches, die sie beim Training unterstützt."
Beweglich bleiben
Da Beweglichkeit und Flexibilität wichtige Bestandteile der Cliff Diving-Fertigkeiten sind - man denke nur an die Hechtstellung mit der starken Dehnung der Kniesehne - liegt einer der Schwerpunkte des Trainings im Cliff Diving auf Beweglichkeit und Stretching.
"Wenn man mich auf der Plattform sieht, dehne ich mich immer. Von dem Moment an, in dem ich mit dem Aufwärmen beginne, bis ich auf der Plattform stehe, dehne ich mich. Wenn du dich nicht dehnst, verkrampfen deine Muskeln einfach. Dehnen ist das A und O, auch wenn man älter ist" erklärt Popovici.
Der Weltklasse-Springer möchte auch eine neue Disziplin ausprobieren, um seine allgemeine Flexibilität und Kondition zu verbessern. "Letztes Jahr wollte ich Pilates ausprobieren", sagt er. "Ich würde es am Ende der Saison immer noch gerne ausprobieren, um zu sehen, ob es meine Beweglichkeit verbessern kann."
Mit dem Kopf bei der Sache bleiben
Auf einer 27-Meter-Plattform im Handstand zu balancieren oder von einem kleinen Vorsprung an einer felsigen Klippe auf unruhiges Wasser hinunterzublicken, bevor man versucht, einen Sprung mit 10 G zu wagen, erfordert eine gewisse Art von Mut und mentalem Training, besonders wenn man nach einer Verletzung zurückkehrt.
Im Laufe seiner Karriere hat sich Popovici immer wieder verletzt, aber er hat es immer geschafft, in Topform zurückzukehren. Einer seiner jüngsten Vorfälle ereignete sich 2022, als Popovici die Lunge kollabierte, nachdem er bei einem Sprung auf dem Rücken gelandet war. Nach dieser schweren Verletzung wandte er sich Yoga und Meditation zu, um die mentalen Herausforderungen zu meistern, die mit der Rückkehr zur Höchstleistung verbunden sind.
"Früher brauchte ich nie eine andere Art von Fitness oder Training als mein 'normales' Training. Aber ich hatte ein paar schwierige Momente - etwa 2022, als ich meinen Unfall hatte", sagt er. "Also habe ich mir ein Training für mentale Fitness angesehen. Ich habe angefangen zu meditieren und Yoga zu machen, und das hat tatsächlich geholfen", fügt er hinzu.
Ich habe angefangen zu meditieren und Yoga zu machen, und das hat tatsächlich geholfen.
Sogar jetzt, bei der Intensität der Wettkämpfe, findet Popovici, dass es in seinem Trainingsplan Platz für achtsames Training gibt. "Von Zeit zu Zeit versuche ich, abzuschalten und loszulassen, und Yoga und Meditation helfen mir dabei", sagt er.
Im Moment führen alle Wege nach Sydney, Australien. Der rumänische Hai, der in der Gesamtwertung der World Series derzeit auf dem dritten Platz liegt, kämpft gegen den US-Amerikaner James Lichtenstein, der derzeit auf dem zweiten Platz liegt, und den Briten Aidan Heslop, der mit 16 Punkten Vorsprung an der Spitze der Rangliste steht, um den Titel.
Erlebe Constantin Popovici beim Finale der Red Bull Cliff Diving World Series in Sydney, Australien, vom 8. bis 10. November in Action.
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