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Marvel's Midnight Suns Test: Eine heldenhafte Überraschung
Im Test entpuppt sich Marvel's Midnight Suns als überraschend komplexes und umfangreiches Taktik-Rollenspiel für Superhelden-Fans.
Fans von Superhelden im Marvel-Universum kommen dieser Tage voll auf ihre Kosten. Nachdem sich Spider-Man Miles Morales erst vor Kurzem auf den PC schwang und ihr in Marvel Snap die Karten fliegen lasst, steht euch mit Marvel's Midnight Suns bereits das nächste Superhelden-Game ins Haus. Und das entpuppt sich als waschechte Überraschung, denn im Rundstrategie-Spiel steckt deutlich mehr Tiefgang, als man zunächst erwartet hätte.
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Marvel's Midnight Suns: Rollenspiel trifft Rundenstrategie
Mit der Ankündigung von Marvel's Midnight Suns auf der gamescom 2021 sorgte Entwickler Firaxis Games für Zungeschnalzen unter Taktik- und Superhelden-Fans. Ein Rundenstrategiespiel wie XCOM 2 und das mit Iron Man, Doctor Strange und anderen Marvel-Heldinnen und -Helden wie Blade, Captain Marvel und mehr? Das kann doch nur gut werden. Oder nicht?
Am 02. Dezember 2022 geht das Taktik-Game nun also endlich an den Start. Wir konnten es bereits ausgiebig spielen und haben dabei einige interessante Entdeckungen gemacht. Die wichtigste Erkenntnis vorab: Marvel's Midnight Suns ist deutlich mehr als nur ein „XCOM mit Superhelden“ und versteht sich vielmehr als Taktik-Rollenspiel mit enormem Tiefgang und riesigem Umfang.
Der Titel kombiniert klassische rundenbasierte Taktik-Kämpfe mit einem Sammelkarten-System und schustert einen enorm komplexen und vielschichten Rollenspiel-Anteil um die Gefechte herum. Wie viel ihr von den optionalen Nebenaktivitäten erleben wollt, überlässt das Game dabei euch.
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Worum geht’s in Marvel's Midnight Suns?
Zunächst einmal zur Story von Marvel's Midnight Suns. Hydra-Forscher Doctor Faustus hat in einem altertümlichen Ritual die Dämonenfürstin Lilith zum Leben erweckt, die die Welt ins Chaos stürzen will.
Zu Beginn des Spiels legt die Dämonenmutter mal eben das beschauliche Sanctum Sanctorum, Heimathafen von Doctor Strange, in Schutt und Asche. Der höchste Zauberer, Iron Man und Captain Marvel müssen hilflos zusehen und sich eingestehen, dass die gute Lilith eine ganz andere Nummer ist, als Thanos und Co.
Nach einer vernichtenden Niederlage ziehen sich die Mitglieder der Avengers in eine abgelegene Abtei zurück und suchen dort die Hilfe von Caretaker, die in den Gemäuern des Klosters die namengebenden Midnight Suns um Ghostrider, Blade, Nico Minoru oder Magik um sich schart.
Doch in der näheren Umgebung hat Caretaker noch eine ganz besondere Geheimwaffe gegen die Dämonenfürstin versteckt: Hunter, das Kind von Lilith. Die einzige Möglichkeit, es mit der Dämonin aufzunehmen – und hier kommt ihr ins Spiel. Denn den wahlweise weiblichen oder männlichen Superhelden dürft ihr in einem rudimentären Editor selbst zusammenschustern, um in Verlauf des Abenteuers gemeinsam mit euren Superhelden-Kumpels die Welt zu retten.
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Viel Rollenspiel
Wer nun vermutet hat, dass man in Marvel's Midnight Suns einfach in bester XCOM-Manier einen Kampf an den nächsten reiht und vielleicht mal die eine oder andere Entscheidung zwischen den Missionen trifft, wird überrascht sein.
Denn im Game steckt ein deutlich größerer Rollenspiel-Anteil als gedacht. Damit schlägt der Titel in eine ähnliche Kerbe wie die Fire Emblem-Games im Stile von Three Houses. Neben den Gefechten könnt ihr euch auf dem Gelände der Abtei frei umschauen, neue Bereiche und Geheimnisse entdecken, Nebenaufgaben absolvieren und vieles mehr.
Genau so stehen aber auch die Beziehungen zu euren Helden-Kumpanen im Zentrum, die ihr durch eure Taten und Dialoge verbessern oder verschlechtern könnt. Freundschaften zu Blade, Iron Man und Co gipfeln dabei in mitunter starken Fähigkeiten-Boosts und schalten ganz neue Skills frei.
Natürlich spielt aber auch die Charakter-Entwicklung eine nicht unerhebliche Rolle. Im Laufe der Zeit schaltet ihr so neue aktive oder passive Boni frei, um die Superheldinnen und Superhelden immer weiter zu verbessern. Klassische Talentbäume gibt es dabei nicht, Levelaufstiege aber sehr wohl. Dabei lernt die Superhelden-Riege ganz selbstständig neue Fähigkeiten oder wertet diese auf.
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Es gibt immer was zu tun
In Marvel's Midnight Suns könnt ihr dabei stets selbst entscheiden, zu welchem Teil ihr den Nebenaktivitäten nachgehen wollt oder ob ihr euch einfach am Handlungsstrang entlanghangelt.
Wer will, kann unzählige Stunden abseits der Hauptmissionen verbringen. Möglichkeiten dafür gibt es viele. Im offenen Bereich um die Abtei herum sammelt ihr Materialien, löst kleinere Rätsel oder findet verschiedene Sammelitems, die eure Fähigkeiten verbessern oder rein kosmetischer Natur sind.
Nach und nach stattet ihr das Kloster mit gesammelten Gegenständen mit neuen Einrichtungen aus, erforscht gemeinsam mit Iron Man und Doctor Strange neue Strategien oder festigt die Freundschaften zu eurem Team mit gemeinsamen Gaming-Abenden oder einem Spaziergang im Gelände.
Oder ihr nehmt an Aktivitäten der einzelnen Gruppen teil: Der EMO-Club trifft sich gerne mal an einer alten Gruft, die Technik-Freunde schrauben in einer Werkstatt an allem herum, was nicht niet- und nagelfest ist und der Buchclub debattiert über mehr oder weniger bekannte Schmöker.
Das alles festigt die Bindung zu euren Teamkameraden und liefert euch mitunter mächtige Boni für die nächste Mission oder dauerhafte Verbesserungen für die einzelnen Heldinnen und Helden. Die meisten dieser Nebenaktivitäten sind allerdings rein optional. Wer mag, kann sich auch einfach auf die Missionen stürzen – was aber ohne die besagten Boni selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad recht knackig ausfällt.
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Morgens Arbeit, abends Vergnügen
Grundsätzlich unterteilt sich jeder Tag in Marvel's Midnight Suns in morgendliche beziehungsweise tägliche Aktivitäten und Team-Interaktionen am Abend. Indem sich Hunter in das eigene Bett begibt und sich eine Mütze voll Schlaf gönnt, wechselt ihr zwischen beiden Optionen.
Der Grundaufbau eines Tages ist dabei immer weitestgehend derselbe. So solltet ihr an jedem Tag von Tony Stark zunächst einmal die innerhalb der Missionen gesammelten Helix-Behälter entschlüssen lassen. Darin erhaltet ihr neue Karten, die ihr eurem Deck hinzufügen könnt.
Im Hof der Abtei könnt ihr täglich einen der Helden zum Sparring einladen und ihnen so einen Bonus für die nächste Mission verpassen. Später schaltet ihr hier neue Einrichtungen frei, um beispielsweise verwundete Helden in einer warmen Quelle heilen zu können. Außerdem lassen sich hier doppelt vorhandene Karten kombinieren und so verstärken.
Immer wieder kommt es zu Gesprächen mit euren Teamkameraden, in denen ihr beispielsweise das Freundschaftslevel erhöhen oder Hunter zu einer helle oder dunkle Ausrichtung tendieren lasst. Das schaltet mitunter neue Spezialkarten und -manöver frei und erinnert fast schon an die guten alten BioWare-Rollenspiele.
Neben vielen weiteren Möglichkeiten, euch die Zeit zu vertreiben, könnt ihr pro Tag eine Mission angehen. Neben den Hauptmissionen stehen verschiedene optionale Aufgaben zur Wahl, die sich in den Missionszielen stark voneinander unterscheiden. Während Hunter für die Hauptaufgaben als gesetzt gilt, dürft ihr in den Nebenmissionen auch mit einem frei kombinierten Dreigespann an den Start gehen.
Nach getaner Arbeit steht abends dann das Vergnügen auf dem Programm. Eine Runde zocken mit Captain Marvel? Pilze sammeln mit Blade? Alles kein Problem. Auch einige optionale Erkundungsmissionen auf dem Gelände und Nebenaktivitäten sind ausschließlich abends verfügbar. Sie bilden eine nette Abwechslung zum Tagesgeschäft der Heldenriege und kommen erstaunlich abwechslungsreich daher.
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Die Kämpfe in Marvel's Midnight Suns
Eine weitere große Stärke von Marvel's Midnight Suns sind die taktischen Kämpfe. Auch hier entfernt sich das Game vom Grundkonzept eines XCOM 2 und kombiniert die rundenbasierten Gefechte mit einem Sammelkarten-Game.
Für jeden Helden stellt ihr entsprechend ein Deck aus insgesamt acht Karten zusammen, die sich aus Angriffen, Buffs, Debuffs, Heilungen und anderen taktischen Manövern zusammensetzen. Nach und nach kommen immer neue Karten oder Verbesserungen hinzu, mit denen ihr euer Deck im Laufe der Zeit erweitert und verbessert.
In jeder Runde eines Kampfes werden dabei Karten zufällig aus eurem Deck gezogen, ihr könnt also nicht selbst bestimmen, welche Aktionen ihr nutzen wollt. Allerdings besteht die Möglichkeit, pro Runde zwei Karten auszutauschen – auch hier müsst ihr hoffen, dass ihr entsprechend bessere Karten zieht.
Dadurch spielt der Faktor Zufall in den Gefechten also eine wichtige Rolle und mitunter kann es vorkommen, dass ihr nur Karten für einen von drei aktiven Helden auf der Hand oder gar keine passenden Aktionen zur Verfügung habt. Das ist erfreulicherweise aber sehr selten der Fall.
Hinzu kommt, dass ihr bis zu drei Aktionen pro Zug nutzen und diese mit kostenlosen Manövern und Gegenständen kombinieren dürft. Das klingt zunächst einmal ziemlich komplex und spielt sich auch deutlich anspruchsvoller als die klassischen rundenbasierten Kämpfe anderer Genrekollegen. Habt ihr das System aber einmal verinnerlicht, entfaltet die Kartenklopperei eine ganz besondere Faszination.
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Taktik pur: Die Strategie entscheidet
Das gelingt Midnight Suns auch dadurch, dass euch das Spiel vor abwechslungsreiche Aufgaben stellt und dabei immer wieder neue Gegnertypen einführt, dank denen sich das Gameplay regelmäßig ändert.
Einige eurer Kontrahenten können sich beispielsweise tarnen und sind nur angreifbar, wenn ihr ihnen durch Umgebungsangriffe Schaden zufügt. Andere verfügen über einen mächtigen Schild, der erst einmal deaktiviert werden will.
Dann wiederum gilt es, mal einen flüchtenden Hydra-Agenten einzufangen, bevor er das Spielfeld verlässt oder einen Helikopter mit fetter Beute vom Abheben zu hindern. Für spielerische Abwechslung ist also gesorgt.
Damit ihr in den knackigen Gefechten von Marvel's Midnight Suns auch die Oberhand behaltet gilt es, das richtige Team für die jeweilige Mission zusammenzustellen. Sämtliche Charaktere im Game haben nämlich ihre ganz persönlichen Stärken und Schwächen.
Iron Man ist ein klassischer Allrounder, während Doctor Strange sich eher auf Unterstützungsfähigkeiten fokussiert. Captain Marvel tritt eher als Tank auf und hält entsprechend besonders viel aus, während ihr eure Hauptfigur Hunter in verschiedene Richtungen entwickeln könnt.
Nicht selten entscheidet auch die richtige Teamzusammenstellung über Sieg und Niederlage. Und da jede Mission bestimmte Helden voraussetzt wird sichergestellt, dass das gesamte Marvel-Roster auch mal an die Reihe kommt.
Gekämpft wird dabei immer in kleinen, abgesteckten Arealen, in denen ihr euch auch Zeitungsstapel, Laternen oder Stromkästen zu Nutze machen und in die Gefechte einbinden könnt. So ergibt sich ein frisches und ungemein befriedigendes Spielgefühl, das zum Experimentieren einlädt und sich immer wieder neu erfindet.
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Fazit zu Marvel's Midnight Suns
Wer in Marvel's Midnight Suns einfach nur ein XCOM mit Superhelden erwartet, wird überrascht sein. Denn hinter der Fassade steckt ein erstaunlich komplexes Rollenspiel mit glaubhaften Charakteren und abwechslungsreichen Mechaniken.
Auch wenn die eigentlichen Tagesabläufe innerhalb der Abtei immer nach demselben Schema ablaufen, habt ihr stets die Möglichkeit, neue Dinge abseits des Hauptpfades zu entdecken. Wenn ihr euch denn darauf einlassen möchtet, denn das überlässt das Game euch.
Besonders spannend präsentieren sich die Kämpfe, die klassische Rundenstrategie gekonnt mit einem Sammelkartenspiel kombinieren und dabei die Faszination beider Genres gekonnt einfangen. Zumal sich hier immer neue Möglichkeiten ergeben und sich die taktisch fordernden Gefechte im Laufe des Spiels zu keinem Zeitpunkt abnutzen.
In Kombination mit der überzeugenden Technik und den humorvollen oder teils emotionalen Dialogen gelingt es dem Game, Rundenstrategie gekonnt mit dem Marvel-Universum zu verknüpfen. So markiert Marvel's Midnight Suns einen absoluten Überraschungs-Hit, den sich nicht nur Genrefans unbedingt anschauen sollten.