Kletterin Sasha DiGiulian in Action.
© Jan Novak / Red Bull Content Pool
Klettern

Mentaltraining im Klettern: Diese zehn Techniken liefern dir den Boost

Eine gute mentale Vorbereitung, die sich etwa auf die Atmung oder das Visualisieren konzentriert, kann dir dabei helfen, deine Ziele schneller und bewusster zu erreichen.
Autor: Ben Kissam
8 min readPublished on
"Wir haben unseren Traum gelebt. Die Menschen sahen die Magazin-Cover und die Videos. Sie wussten aber nicht, was unter der Oberfläche vorging", meint die Kletter-Athletin Beth Rodden in der siebten Episode der achten Staffel von "Reel Rock".
Beth taucht in diesem Gespräch tief ein in ihren intensiven Kampf mit selbstzerstörerischem Verhalten, der sie im Laufe ihrer erfolgreichen Kletter-Kariere am laufenden Band begleitete -- ein Problem, mit dem sich viele Kletterer (und Menschen im Generellen) identifizieren können.
Sasha DiGiulian in Action in Griechenland.

Sasha DiGiulian auf dem Kalymnos in Griechenland.

© Alex Grymanis / Red Bull Content Pool

Ein resilientes Mindset aufzubauen und zu erhalten ist nicht nur eine Möglichkeit, um sich als Kletterer zu verbessern. Wir haben es hier mit einer Lebensfähigkeit zu tun. Mentale Vorbereitung, etwa über die Atmung oder die Visualisierung, kann dir dabei helfen, deine Ziele bewusster und schneller zu erreichen. Daneben sind es gerade diese Techniken, die dabei helfen, mit der Angst umzugehen, was wiederum ein erfülltes Leben ohne Selbstsabotage und innerem Schmerz zur Folge hat.
Wir stellen dir zehn mentale Trainingstechniken für das Klettern vor. Damit entwickelst du eine gewissen innere Härte und ein klares Bewusstsein, damit du das Beste in dir abrufen kannst.
01

Trainiere dich in der kontrollierten Atmung

Versuche es mit der simplen Atemtechnik fürs Klettern, die sich "Box Breathing" nennt. Atme vier Sekunden lang ein, halte die Luft für vier Sekunden in deinen Lungen und atme weitere vier Sekunden lang aus. Wiederhole das zumindest dreimal oder solange, bis du dich ruhig fühlst.
Sasha DiGiulian in Kletteraction!

Sasha DiGiulian hat schon einige herausfordernde Routen gezähmt.

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Dein Atem ist eng mit deiner Physiologie verschränkt. Wenn du deine Atmung also verlangsamst, holst du auch deine Herzfrequenz zurück auf den Boden. Daneben reduzieren sich die Stresshormone wie Cortisol, die in nervösen Phasen dafür sorgen, dass du nicht klar denken kannst.
02

Halte deinen Geist während eines Climbs beschäftigt

Die Atmung ist ein guter Ankerpunkt, um den Fokus während eines Climbs zu halten, da sie ganz automatisch funktioniert und dich im unmittelbaren Moment hält. Konzentriere deine Atmung, wo immer du sie am intensivsten spürst -- in deinen Nasenlöchern, in deiner Brust oder im Unterleib. Wenn du mit den Ablenkungen konfrontiert bist (und das wirst du an einem Punkt sein), verlege deinen Fokus ganz bewusst auf den Bereich deiner Wahl und trainiere das immer wieder; angefangen bei fünf Minuten bis hin zu zwanzig und mehr.
Ein beschäftigter Geist hat keine Zeit, sich durch einen möglichen Sturz oder kritische Selbstgespräche in Panik verfallen zu lassen. Besonders nützlich ist diese Technik, wenn du auf Routen unterwegs bist, die deinem momentanen Skill-Level entsprechen oder leicht darüber sind.
03

Achte auf deine eigene Körpersprache

Bemühe dich darum, deine Körpersprache im Blick zu haben und dir die Frage zu stellen, was sie dir sagen möchte. Eine gute Möglichkeit ist es, deine Haltung mehrmals am Tag bewusst zu checken. Sind deine Schultern eingefallen, zieh sie zurück, sitze oder stehe gerade und zeige der Welt deine stolze Brust.
Angie Scarth-Johnson in Kletter-Action.

Angie Scarth-Johnson in den Blue Mountains, New South Wales, Australien.

© Kamil Sustiak / Red Bull Content Pool

Zeigst du Nerven, hat das ganz klar physische Konsequenzen, besonders dann, wenn du sie nicht kontrollieren kannst und sie dein Denken und Fühlen übernehmen. Selbst, wenn du nicht kletterst, ist das eine gute Möglichkeit, das Selbstvertrauen zu erhalten und deinen Geist darin zu trainieren, positiv zu bleiben.
04

Identifiziere deine Ängste

Indem du das, vor dem du dich fürchtest, benennst, hast du den ersten Schritt bereits getan. Eine ganze Liste davon zu führen mag hingegen etwas überwältigend wirken, weshalb der logische Schluss darin liegt, ein Kletter-Journal anzulegen, in dem du jeden Climb, den du machst, reflektierst. Schreibe darüber, was dich mit Blick auf die Zukunft nervös macht und was die schlimmstmöglichen Folgen sein können.
Indem du deine Ängste laut oder auf Papier identifizierst und benennst, entnimmst du sie deinem Körper und gibst ihnen weniger Macht über dich. Daneben schaust den Dingen, die dich beschäftigen, ohne Kompromisse ins Gesicht.
05

Wage dich aus deiner Komfortzone

Gehe intentioniert an dein Klettertraining heran. Zumindest einmal alle paar Wochen solltest du dich über das hinauswagen, was du gewohnt bist und dir einfach vorkommt. Das Vertrauen entsteht dann durch die Wiederholung. Je mehr du dich darauf fokussierst, deine Skills zu verbessern, desto stärker wird dein Mindset werden.
Sasha DiGiulian klettert den Rayu in Spanien.

DiGiulian stellt sich der Challenge.

© Jan Novak/Red Bull Content Pool

Eine kleine Warnung müssen wir aber aussprechen: Dich permanent auszulaugen ist nicht die Antwort auf all deine Fragen. Schwieriges Training macht dich müde und bringt weitere negative Effekte mit sich, von denen du dich erst erholen musst. Die richtige Balance zu finden, ist der Schlüssel für ein effektives Klettertraining, das sich darauf konzentriert, auf sich selbst zu achten.
06

Reduziere den selbst auferlegten Druck

Schreibe das, was dich an diesen Punkt gebracht hat, nieder und reflektiere darüber. Dadurch entdeckst du die grundsätzliche Antwort auf die alles entscheidende Warum-Frage. Schreibe einfach fünf Minuten lang drauflos und beantworte die Frage, was du am Klettern liebst und was dich dazu bringt, immer wieder zurückzukehren. Führe all deine Gedanken anschließend in einem einzigen Satz zusammen.
Ein Beispiel: Ich klettere, weil es mir dabei hilft, die besten Versionen meiner Selbst zu leben.
Ablenkungen finden sich in der heutigen Welt an jeder Ecke. Social Media und selbst unsere Peers können uns von unseren Zielen und dem unmittelbaren Moment wegführen, womit wir den Fokus auf das Wesentliche verlieren. Während sich deine Kletterfähigkeiten verbessern, besteht immer die Gefahr, dass du dich von dem, was dich ursprünglich zum Klettern gebracht hat, wegbewegst. Der ganze Druck, der dazu kommt, sorgt dann für die nächste Ablenkung -- ein fataler Kreislauf.
Um dich dann zurück in die Spur zu bringen, musst du eine neue Verbindung mit deinen Wurzeln aufbauen.
07

Bleibe permanent im Fokus

Der Fokus ist eine Fähigkeit, die du um ihrer selbst willen trainieren solltest. Wo dein Fokus hingeht, dort fließt die Energie! Die Atemübungen, die in den vorigen Punkten angesprochen wurden, sind in dieser Hinsicht ein guter Einstieg. Es hilft auch, wenn du dir die Frage stellst, wo sich dein Fokus hinbewegt, während du kletterst, und ihn dann genau dorthin zu lenken, wo er hingehört -- etwa auf die Atmung oder auf den unmittelbaren Moment. Je besser es dir gelingt, mental in der Gegenwart zu bleiben, desto weniger treten negative Gedanken oder Angstgefühle auf.
Sasha DiGiulian klettert den Rayu in Spanien.

Die Augen auf das Ziel gerichtet.

© Jan Novak/Red Bull Content Pool

Don McGraths Buch "Vertical Mind" konzentriert sich zu einem großen Teil genau darauf und liefert daneben weitere mentale Techniken, mit denen du deine Kletter-Performance optimierst.
08

Spiele bestimmte Bewegungen vor deinem inneren Auge ab

Führe dir den nächsten erfolgreichen Climb klar vor Augen. Stelle dir jeden Handgriff und jede Fußbewegung vor. Wie wird es sich anfühlen? Was wirst du dir selbst sagen? Gehe jeden einzelnen Moment durch, bis du den Moment erreichst, den du erstrebst. Dann wiederholst du das Ganze.
Wie in anderen Sportarten, ist auch im Klettern das Visualisieren der Schlüssel zum Erfolg. Das Spiel mit den mentalen Bildern gehört zu den wirkungsvollsten Techniken, um deine Entscheidungsfähigkeit und dein Selbstbewusstsein zu verbessern. Das hilft deiner Performance und die Wiederholungen sorgen dafür, dass du auch dann mit der Challenge konfrontiert bist, wenn du gerade nicht trainierst.
09

Klettere mit positiven Menschen

Die Menschen, mit denen wir uns umgeben, haben ganz klar einen Einfluss auf unsere mentale Gesundheit und auf unsere Performance. Auf der Wand magst du zwar den Kampf gegen dich selbst ausfechten, aber die Freude am Klettern ist nicht selten auch auf die Leute zurückzuführen, mit denen wir es umsetzen. Mach es zur Priorität, mit Freunden zu klettern, die dich mental nach vorne peitschen. Deine mentale und deine physische Stärke werden sich als Resultat maßgeblich verbessern.
10

Klettere mit Selbstvertrauen

Vertraue auf die Arbeit, die du hineingesteckt hast. Erinnere dich daran, dass es gerade die harten Zeiten sind, die dafür sorgen, dass dir ebendiese harten Zeiten einfacher fallen. Erinnere dich daran, wo deine Wurzeln liegen, und verwende dieses Wissen, um zu wachsen!
Selbstvertrauen lässt sich nicht alleine aus dem positiven Denken heraus entwickeln; es entsteht durch Wiederholung und einem klaren Bewusstsein, das du kultivierst, während du hart arbeitest. Nimm dir einen Moment, um über deine Trainingsroutine nachzudenken oder diese niederzuschreiben. Frage dich ehrlich: Reicht sie aus, um dich herauszufordern? Hilft dir dein Programm dabei, zu wachsen? Sollte das nicht der Fall sein, solltest du dir einen neuen Plan überlegen.
Wenn du die notwendige Arbeit reinsteckst, dann verschwinden auch deine Sorgen.

Fazit

Der Geist ist ein machtvolles Werkzeug, das wir verwenden können, um unsere Ziele zu erreichen -- er kann aber auch ein Hindernis sein, wenn wir in unseren Ängsten oder in unseren negativen Gedanken festhängen. Mithilfe von Atemtechniken, des Einübens mentaler Bilder und eines Kletter-Journals stärkst du deine mentale Resilienz und sorgst für ein klares Bewusstsein.
Der Big-Wave-Surfer Mark Matthews meint ganz richtig: "Jeder von uns hat Angst." Aber eine gewissen Scheu davor mitzubringen, heißt nicht, dass du es nicht tun solltest.
Du musst nicht im Himalaya-Gebirge klettern, um dich für ein mentales Training zu "qualifizieren". Starte genau dort damit, wo du dich gerade befindest, und beobachte anschließend, wie dir diese Techniken dabei helfen, als Kletterer und Person zu wachsen.