Anderswo mag das Phrasenschwein klimpern. In Leipzig etablierte es sich in den vergangenen acht Jahren als Credo, dem von Ralf Rangnick über Julian Nagelsmann und Pokalsieger-Coach Domenico Tedesco bis zu nunmehr Marco Rose noch jeder Trainer gefolgt ist: Wo ein Willi ist, da ist ein Weg…
Der Weg von Willi Orban ist der eines - wie sagen sie in seiner Heimat - „Pfälzer Bub“, der am berühmten Betzenberg 93 Minuten Bundesliga-Luft geschnuppert hatte. Mit dem anschließenden Wechsel aus Kaiserslautern zu RB Leipzig sollte er zu dem Spielertyp reifen, der im Fußball-Lexikon unter „Mentalitätsspieler“ gelistet ist. Resistent gegen Rückschläge und (fast alle) Verletzungen. Omnipräsent in den ganz großen Spielen. Beispiel aus aktuellem Anlass? Das letztjährigen DFB-Pokal-Finale gegen SC Freiburg.
Zweikämpfer mit Herz und Hirn
Je näher die Final-Neuauflage bei den Schwarzwald-Kickern (2. Mai) rückt, desto mehr schießen uns die Szenen in den Kopf, wie Orban eine dezimierte RB-Abwehr zusammengehalten hatte und Zweikampf-Werte erreichte, die für zwei Verteidiger gereicht hätten. Der vielleicht beeindruckendste Wert fällt jedoch häufig unter den Tisch. In 120 nervenaufreibenden Minuten kam der 30-Jährige ohne Gelbe Karte aus - aus Gründen!
Seine Antizipation und enorme Handlungsschnelligkeit auf dem Rasen ist nicht zuletzt das Ergebnis von jahrelangem Training mit einem Life-Kinetik-Coach. Vereinfacht gesagt: Gehirn-Jogging! „Ich fordere und fördere mein Gehirn einmal pro Woche auch kognitiv. Seit ich aus der Schule raus bin, habe ich das so nicht mehr gemacht“, erklärt der Sohn eines ungarischen Vaters und einer deutschen Mutter mit polnischen Wurzeln.
Torgefährliches Trüffelschwein löst Halstenberg ab
Wuchtige Bundesliga-Stürmer wie Niclas Füllkrug (SV Werder Bremen) oder Sébastien Haller (Borussia Dortmund) nimmt der RBL-Abwehrchef oft aus dem Spiel, sodass er auch selbst den Vorwärtsgang einlegen kann. Bereits in der Saison 2021/22 löste Orban seinen Teammate Marcel Halstenberg als treffsichersten Verteidiger der Leipziger Vereinshistorie ab.
In seiner aktuell achten Spielzeit im Bullen-Jersey kamen die Treffer 23 bis 26 hinzu. „Die Buden fallen oft nach ähnlichem Muster. Emil Forsberg oder David Raum bringen die Standards rein und ich bin wie ein Trüffelschwein, das weiß wo es hinlaufen muss“, grinst Willi Orban.
Off Script-Tore gehen jedoch auch, wie zuletzt der rauschende Pokal-Abend gegen Borussia Dortmund (2:0) gezeigt hat. Nicht weniger emotional: Orbans Premierentor in der Bundesliga! Dank seines Gamewinners zum 3:2-Auswärtserfolg in Leverkusen stürmte RB Leipzig im November 2016 erstmals an die Tabellenspitze.
Bald im 300er-Club, aber: Leben retten geht vor
Die folgenden sieben Jahre sind mit Milestones gespickt: Dreimal Pokalfinale in Berlin, Einzug ins Halbfinale der Champions League (2019/20) sowie Länderspiel-Debüt für Ungarn. 39 Partien, darunter drei bei der Europameisterschaft 2021, hat der gebürtige Pfälzer für das Heimatland seines Vaters absolviert. Und für RBL? Hier winkt nach der neuerliche Vertragsverlängerung (bis 2025) der Einzug in den 300er-Club.
Das selbst ernannte „Trüffelschwein“ wäre erst der zweite RBL-Profi nach Yussuf Poulsen, der diese Marke erreicht. Seine verpassten Matches in den letzten beiden Jahren lassen sich praktisch an einer Hand abzählen. Selbst bei einem Nasenbeinbruch gilt: Wo ein Willi ist, da ist ein Weg! Wenn Orban nicht auf dem Rasen steht, muss viel mehr auf dem Spiel stehen als drei Punkte.
So gesehen am 14. Spieltag, als der 30-Jährige als Stammzellen-Spender für einen Blutkrebs erkrankten Menschen zum Lebensretter wurde. „An dem Wochenende stand bei Union Berlin (1:2, Anm. d. Red.) sogar ein Spitzenspiel an“, erinnert sich Orban: „Bei allem sportlichen Ehrgeiz war das für mich zweitrangig. Ich hoffe sehr, dass meine Spende dazu beitragen kann, den Empfänger oder die Empfängerin vollständig zu heilen.“ Willis Credo at it's best.