Gaming
Der Erfolg von offiziellen Nostalgie-Konsolen wie dem Super Nintendo Classic Mini beweisen, dass Retro-Gaming in der vollen Blüte ist. Alte Spiele und Konsolen wechseln täglich auf Online-Marktplätzen und Retro-Börsen den Besitzer. Spieler sehnen sich nach den Titeln, mit denen sie aufgewachsen sind.
Doch tief in der Retro-Szene schlummern Fans, die sich noch mehr mit der Materie befassen als jeder andere. Modder, die nicht nur ihre Favoriten neu aufpolieren, sondern komplett neue Spiele schaffen und alten Spielekonsolen fit für ein neues Zeitalter machen.
Konsolen-Upgrades - Original-Hardware für moderne TVs
Retro-Konsolen wie das Nintendo 64 an modernen HD- oder 4K-Fernsehern zu betreiben führt oft zu mehr Ernüchterung als Nostalgie. Das Bild ist verwaschen, sieht in Bewegung schrecklich aus und leidet oft unter Eingabeverzögerung. Ein Grund dafür ist die niedrige Auflösung, in der Konsolen der alten Schule das Bild zur Verfügung stellen: Das Nintendo 64 sendet zum Beispiel in 240p. Also muss der Fernseher sein Bestes tun das Bild auf die volle Größe der Fläche zu strecken, oft zum Leid der Qualität. Gepaart ist das Ganze damit, dass diese Konsolen nur analoge Bildsignale senden. Das höchste der Gefühle sind dabei noch PlayStation 2, Xbox und Wii, die zumindest die Option auf HD-fähige Komponentenkabel haben.
Konsolen-Modder sind drauf und dran diese Probleme zu lösen. Es begann damit, dass die analogen Signale von Retro-Konsolen aufgebessert wurden. Zum Beispiel wurde das Nintendo 64 mit der Option versehen, das qualitativ sehr gute RGB-Signal zu senden. Allerdings ist dieses ohne entsprechende Upscaler an einem HD-TV genauso wertlos.
Daher haben Modder nun eine Möglichkeit gefunden aus dem Nintendo 64 direkt per HDMI in den Bildschirm zu gehen. Ein unglaublicher Schritt, der das Bild nicht nur HD-fähig macht, sondern auch von Grund auf verbessert. Fortschritte in diesem Bereich machen es Stück für Stück möglich die eigenen Retro-konsolen für ein neues Zeitalter aufzurüsten, auch wenn diese Funktion noch einen relativ saftigen Preis hat.
Klon-Konsolen und FPGA
Eine günstigere Alternative zu Konsolen-Mods sind Klon-Konsolen wie der RetroN 5 von Hyperkin. Dieser spielt Originalspiele unterschiedlicher Konsolen und gibt das Bild über HDMI aus. Diese Funktionalität wird durch das Nutzen von Emulatoren gewährleistet. Die Spiele, die ihr in den RetroN 5 steckt, werden per Software-Emulation interpretiert und auf den TV gebracht. Die Vielseitigkeit der Klon-Konsole ist damit für die meisten Nutzer völlig ausreichend. Für Puristen, die ihre Spiele lieber auf Original-Hardware erleben, haben Modder in den letzten Jahren aber ebenfalls enorme Fortschritte gemacht.
Das Zauberwort ist FPGA (Field Programmable Gate Array). Kurzum: Diese Technologie erlaubt es Moddern einen Chip zu produzieren, der eine Konsole auf dem Hardware-Level emuliert. Wenn ihr also zum Beispiel in Super Nintendo-Spiel in den Super NT von Analogue packt, läuft auf diesem kein Programm, dass das Spiel interpretiert, sondern die Konsole selbst verhält sich wie ein echtes Super Nintendo. Auf diese Weise können Retro-Gamer ihre Spiele genauso erleben, wie sie auf der Original-Hardware funktioniert hätten. Natürlich inklusive der Boni wie nativem HDMI-Signal.
Die Produktion von FPGA-Konsolen hat in den letzten Jahren viel Fahrt aufgenommen. Der Startschuss wurde von RetroUSB ausgeführt, als diese den Nintendo AVS auf den Markt gebracht haben, der das Nintendo Entertainment System emuliert. Mittlerweile gibt es auch Optionen für den Sega Mega Drive. Und weitere Konsolen stehen schon in den Startlöchern. FPGAs ermöglichen die Erhaltung und das Erleben von Retro-Games in einem modernen Zeitalter.
Rom-Hacks - Neues Leben für Gaming-Veteranen
Doch nicht nur an Retro-Konsolen legen Modder Hand an. Auch ältere Konsolenspiele sind vor der Bastelwut der Fans nicht sicher. Voraussetzung für das Modifizieren von Retro-Games ist der Bestand einer Rom-Datei. Diese werden dadurch generiert, dass ein Spiele-Modul (zum Beispiel des Super Nintendos) über einen EEPROM-Reader auf den PC kopiert wird. Dort kann diese Datei dann via Software-Emulation abgespielt oder von Moddern verändert werden.
Ähnlich wie beim Modding von PC-Games gibt es hier unterschiedliche Abstufungen von Mod-Komplexität. Manche tauschen Grafiken oder Musikstücke aus; andere bauen komplett neue Levels, Welten oder Nachfolger auf der Basis bestehender Spiele. Eine neue, sehr beliebte Mod-Form ist allerdings der Randomizer. Diese erlauben es dem Spieler im Vorfeld gewisse Aspekte des Spiels per Zufall zu variieren und damit jedes Mal für ein neues Spielerlebnis zu Sorgen.
Die meiste Aufmerksamkeit haben Rom-Hacks allerdings mit dem Aufkommen der Let’s Play Videos auf YouTube bekommen. Besonders beliebt waren Modifikationen zu Super Mario World. Es gab massig Content-Produzenten, welche die unterschiedlichsten Varianten des klassischen Nintendo-Plattformers gespielt haben. Manche haben auch ein Format gewählt, in dem Zuschauer ihre eigenen Mods einsenden konnten.
Auch wenn Rom-Hacks primär via Software-Emulation auf Computern gespielt werden, so ist es allerdings auch möglich die Mods auf der Original-Hardware zu genießen. Dank sogenannten Flash-Carts wie dem Everdrive oder SD2SNES können Rom-Dateien auf eine Speicherkarte übertragen und dann über ein Modul auf einer Konsole abgespielt werden. Das Besondere: Die Mods werden auf diese Weise auf dieselbe Weise interpretiert und abgespielt, als würden sie tatsächlich auf einem Modul erschienen sei
Fan-Übersetzungen
Damals war es noch Gang und Gäbe, dass viele Spiele nicht den Weg aus ihrem Ursprungsland gefunden haben. Dies ist besonders dann ärgerlich, wenn Spiele dadurch nicht im Westen erscheinen und nur in japanischer Sprache vorliegen. Prominente Titel, welche dieses Schicksal erleiden mussten, sind die Nachfolger von Secret of Mana und Earthbound. Glücklicherweise waren engagierte Teams aus Moddern zur Stelle, um dieses Problem zu lösen. Zu einer Vielzahl von Retro-Games existieren Teams, die sich darauf fokussieren diese Spiele zu übersetzen und damit einem völlig neuen Publikum zu eröffnen.
Im Fall des Earthbound-Nachfolgers Mother 3, der für den Gameboy Advance in Japan erschienen ist, ging das Team soweit und hat Nintendo angeboten ihre mit mühseliger Arbeit geschaffene Fan-Übersetzung als Basis für einen Release im Westen zu nutzen. Leider hat das Angebot keine Früchte getragen und Mother 3 - sowie zahlreiche andere Retro-Games - lassen sich nach wie vor nur dank dem Einsatz der Modding-Szene genießen.
Retro-Homebrew
Nicht jeder Modder gibt sich damit zufrieden einfach eine bestehende Rom zu modifizieren. Manche gehen einen Schritt weiter und sie schaffen komplett neue Spiele für alte Konsolen. Diese Spiele erscheinen dann auch auf echten Modulen und können auf der Original-Hardware abgespielt werden.
Das Besondere an dem Kreieren von Retro-Games, die nicht nur den Stil emulieren, sondern die Funktionsweise einer Konsole berücksichtigen müssen ist, dass die Entwickler ein unglaubliches Verständnis für das Verhalten dieser Geräte aufbringen müssen. Die Modder genießen das Lösen des Logikrätsels, das durch diese Limitierung aufgebracht wird und schaffen dadurch oft völlig neue Spielerlebnisse.
Eine Konsole, die bis heute noch regelmäßig mit neuen Releases aus der Hand von Fans versorgt wird, ist die Sega Dreamcast. Eines der beliebtesten Dreamcast-Homebrews ist das Shoot ‘em Up Sturmwind, das vom deutschen Studio RedDotGames entwickelt wurde.
Die Qualität dieser Spiele zeigt, wie groß die Leidenschaft der Fans für die Konsolen ihre Jugend und Kindheit ist. Einen Titel dafür zu entwickeln ist ein Liebesbrief an die Hardware und Mentalität einer vergangenen Zeit.
Egal ob komplett neues Spiel, Adaption durch Rom-Hack oder aufbauen einer komplett neuen Klon-Konsole - Retro-Gaming und seine Modding-Szene werden dafür Sorgen, dass die Titel der alten Tage auch in der neuen Zeit nicht an Bedeutung verlieren.