Angefangen bei klassischen Sport-Routen bis hin zum puren Alpin-Erlebnis - die Debatte über die besten, härtesten und extremsten Kletter-Herausforderungen ist eine, die laufend geführt wird. Eines ist dabei aber sicher: Der Klettersport entwickelt sich permanent weiter, während die Routen immer schwieriger werden.
Jedes neue Jahr geht mit einer neuen Vision eines Kletterathleten einher, der sich an neuen Routen versucht und Erfolge festhält. Anschließend versucht sich ein weiterer Kletterer an der Route, der den Schwierigkeitsgrad bestätigt. Manchmal dauert das Jahre, bis es soweit ist, manchmal bleibt ein zweiter Aufstieg aus.
Nalle Hukkataival, ein Boulder-Athlet der Spitzenklasse, meinte einmal: "Die schwersten Climbs der Welt werden niemals einen passenden Schwierigkeitsgrad aufgestempelt bekommen, da immer die Meinungen von mehreren Athleten herangezogen werden müssen. Und sobald das passiert, ist es nicht mehr die härteste Route der Welt."
Im Folgeschluss bedeutet das, dass eine Auswahl der härtesten Kletterrouten der Welt immer subjektiv bleibt (weshalb auch Action Directe nicht in unserer Liste inkludiert ist). Dennoch wagen wir den Versuch: Hier findest du je nach Style die schwierigsten Kletter-Routen der Welt.
01
Traditionelles Klettern: Tribe
- Location: Cadarese, Italien
- Schwierigkeitsgrad: Ohne Bewertung, aber mögliche 9a, 5:15a
- Erstbegehung: Jacopo Larcher, März 2019
Trad-Klettern ist wieder voll im Trend, was sich an den fast 50 Aufstiegen in den vergangenen fünf Jahren im Grad 5.14 eindrucksvoll zeigt. Aber diese Route war etwas ganz Besonderes und so extrem, dass Larcher sich dazu entschied, sie nicht zu bewerten.
Im Gegensatz zur „La Rambla“ ist die „Tribe“ zwar kürzer, dafür sind die Bewegungen viel schwieriger und härter. Nachdem Larcher die Route 2013 zum ersten Mal sah, waren insgesamt drei Reisen und 50 Klettersessions nötig, um die vielleicht schwerste Trad-Route der Welt zu schaffen.
„Wenn man etwas so lange probiert, ist das schwierig zu bewerten. Wenn man es dann schafft, fühlt es sich fast leicht an,“ meinte Larcher. Adam Ondra stellte aber klar: „Das ist zweifellos die härteste Single-Pitch-Trad-Route der Welt.“
Weitere Anwärter auf den Titel der brutalsten Trad-Routen sind die „Meltdown“ im Yosemite, eine 5.14c, die erstmals von Beth Rodden geklettert und erst kürzlich von Carlo Traversi wiederholt wurde - und „Rhapsody“, ebenfalls eine 5.14c in Großbritannien, die Dave MacLeod erstmals erkletterte, aber auch von Larcher bereits absolviert wurde.
02
Alpinklettern: Lunag Ri
- Location: Himalayas, Nepal/Tibet
- Schwierigkeitsgrad: Einer der höchsten bisher nicht bestiegenen Gipfel der Welt (6.895 m)
- Erstbegehung: David Lama, Oktober 2018
6 Min
David Lamas erfolgreicher Solo-Aufstieg
David Lama hat mit dem Aufstieg auf den davor nicht bestiegenen Lunag Ri Geschichte geschrieben.
Für David Lama war es sicher eines seiner Karrierehighlights. Es benötigte insgesamt vier Versuche und dauerte vier Jahre, bis er sich damals einen seiner größten Träume und eine seiner schwierigsten Challenges erfüllen konnte - den erfolgreichen Aufstieg auf den mystischen Lunag Ri.
Beim ersten Versuch im Jahr 2015 gemeinsam mit Conrad Anker, wurde ihm der Gipfelsieg nur 300 vorm Gipfel aufgrund von Eismangel verwehrt. Als die beiden nur ein Jahr später zurückkehrten, erlitt Anker einen Herzinfarkt am Berg, den er aber glücklicherweise überlebte.
Lama versuchte es danach erneut, musste aber wieder nur 300 m vor dem Ziel umkehren. Zwei Jahre später, wieder im Alleingang, gelang ihm schließlich das Kunststück und er erreichte auf erstaunliche Art und Weise bei -30°C Grad und Sturmböen von bis zu 80 km/h den Gipfel.
„Was ich beim Bergsteigen so liebe ist die Kombination aus Eis, Fels und Schnee. Es war einfach eine größere und noch komplexere Challenge," meinte Lama damals nach dem erfolgreichen Aufstieg.
03
Big-Wall-Klettern: Dawn Wall
- Location: El Capitan, Yosemite Nationalpark, USA
- Schwierigkeitsgrad: 9a, 5.14d
- Erstbegehung: Tommy Caldwell und Dean Jorgeson, Jänner 2015
2 Min
Die mächtige Dawn Wall
Die 915-hohe Felswand im kalifornischen Yosemite Nationalpark gilt als Mekka des Klettersports.
Keine Felswand der Welt ist wie die Dawn Wall am berüchtigten El Capitan im Yosemite Nationalpark - steil, glatt und hoch. Die Erstbegehung beeindruckte sogar den damaligen Präsidenten Barack Obama so sehr, dass er Tommy Caldwell und Dean Jorgeson 2015 persönlich zu ihrem Erfolg gratulierte.
Der extrem lange Aufstieg geht über 32 brutale Seillängen mit Griffen, die nicht größer sind als die Kanten einer Kreditkarte und Tritten, so flach wie die winzigen Grübchen auf einem Golfball. Die Planung für die erfolgreiche Begehung dauerte unglaubliche 7 Jahre.
Im November 2016 wagte sich schließlich einer der weltbesten Kletterer an die Dawn Wall: Adam Ondra. Nach nur einem Monat Planung schaffte er die insgesamt erst zweite Begehung, und das in nur 8 Tagen. „Es besteht kein Zweifel daran, dass die Dawn Wall die härteste Big-Wall-Route der Welt ist," meinte Ondra.
04
Sportklettern: Silence
- Location: Flatanger, Norwegen
- Schwierigkeitsgrad: 9c, 5.15d – noch nicht bestätigt
- Erstbegehung: Adam Ondra, September 2017
21 Min
Ära des Ondra Teil 1
Der Tscheche Adam Ondra hat sich vorgenommen, in jeder Hinsicht der beste Kletterer zu werden, und das hat er auch geschafft.
Adam Ondra präparierte die Route erstmals 2013 mit Haken aber es dauerte insgesamt sieben Besuche und 40 Klettertage, bis er es endlich schaffte und „Silence" zur ersten 9c der Welt erklären durfte.
Die Route befindet sich auf einer der besten Kletterwände der Welt, der Hanshelleren, und ist nichts für schwache Nerven. An einem Punkt musste Ondra sich kopfüber von seinen Zehen hängend nach oben drehen, um entlang des extrem überhängenden Daches weiterklettern zu können. Am Ende brauchte der Ausnahmekletterer nur 20 Minuten für die gesamte Route.
Mit dem erfolgreichen Aufstieg übertrumpfte Ondra unglaubliche 9b+Routen wie „Change", „La Dura Dura" und „Vasil Vasil", die ebenfalls von ihm geklettert wurden. Bis heute konnte „Silence" nicht wiederholt werden, was auch der Grund dafür ist, dass die 9c-Bewertung noch nicht bestätigt werden konnte, aber wenn die Route von jemandem bewertet kann, dann von Adam Ondra selbst.
05
Eisklettern: Interstellar Spice
- Location: Helmcken Falls, British Columbia, Kanada
- Schwierigkeitsgrad: WI12
- Erstbegehung: Klemen Premrl und Tim Emmett, Dezember 2016
Als Will Gadd an den Helmcken Falls in Kanada das Sprüheis entdeckte, verkündete er, es wäre das coolste Eis, das er je gesehen hätte oder geklettert wäre, und wählte eine Kletterroute, die er und Tim Emmett als WI10 einstuften – ganze zwei Grade höher als alle bisher gekletterten Routen, denn es gibt keine WI8- oder WI9-Routen. Emmett bezeichnete den Aufstieg als "die wahrscheinlich ultimative Klettererfahrung im Winter".
Im Februar 2012 kehrten Emmett und sein Kletterpartner Klemen Premrl zu den Helmcken Falls zurück: Sie befestigten Bohrhaken und kletterten Wolverine, eine Route, die sie als WI11 einstuften. 2016 stieg das Rating erneut während dieses atemberaubenden Aufstiegs.
06
Bouldern: Burden of Dreams
- Location: Lappnor, Finnland
- Schwierigkeitsgrad: V17, 9A - nicht bestätigt
- Erstbegehung: Nalle Hukkataival am 23. Oktober 2016
Dieses kurze "Boulder-Problem", das von Nalle Hukkataival gelöst wurde, verlangt nach nur fünf Hand-Moves auf einer 45°-Granitwand, über vier Meter in der Höhe. Dennoch war diese Route die erste der Welt, die mit dem härtesten Level, V17, ausgezeichnet wurde.
Mittlerweile gibt es auch eine zweite V17, die "No Kpote Only" in Fontainebleau (Frankreich), die von Charles Albert barfuß nach 20 Versuchen geschafft wurde. Ryohei Kameyama wiederholte das Ganze etwas später, und vergab ein niedrigeres V16/17-Rating.
07
Mixed-Klettern: Saphira
- Location: Fang Amphitheatre, Vail, Colorado, USA.
- Schwierigkeitsgrad: M15-
- Erstbegehung: Lucie Hrozová im Jänner 2016
Dieser Aufstieg ist 55 Meter lang und involviert extrem steiles, technisches Klettern auf Fels und Eis. Das Herzstück besteht aus einem langen Abschnitt an der Spitze, der die legendären "Octopussy"-Eiszapfen kreuzt.
Lucie Hrozová brauchte mehr als 65 "Yaniros"-Moves in 50 Minuten, um die Route zu schaffen - damit dauerte das Ganze zwei Mal so lange, als ihr Aufstieg beim legendären Ironman-Climb (M14+) in Eptingen, in der Schweiz.
08
Free-Solo-Klettern: Freerider
- Location: El Capitan, Yosemite, USA
- Schwierigkeitsgrad: 7c (5.12d) mit Seil
- Erstbegehung: Alex Honnold im Juni 2017
Free-Climber haben in den letzten Jahren einige unglaubliche Routen hingelegt - angefangen bei Alain Roberts Besteigung der höchsten Wolkenkratzer der Welt bis hin zu Jim Reynolds Erfolg auf dem Cerro Torre in Patagonien.
Alex Honnolds atemberaubender Film "Free Solo" hat das Ganze aber in den Mainstream gebracht und einen neuen Meilenstein festgelegt. Er kletterte ganze 915 Meter auf dem Granit der berühmten Wand "El Capitan", nur mit seinen Händen, seinen Schuhen und einer Tasche Kreide.
Im Nachhinein meinte Honnold, dass das bei Weitem seine bisher schwerste Route war. Wie ist ihm das gelungen? Ganz einfach: "Ich habe einfach das gemacht, was ich immer mache - diesmal nur ohne Seil."
09
Technisches Klettern: Nightmare on California Street
- Location: El Capitan, Yosemite Nationalpark, USA
- Schwierigkeitsgrad: A5
- Erstbegehung: Warren Hollinger und Grant Gardner, 1998
Es gibt einige technische Kletterrouten der Kategorie A5, bei denen ein Sturz immer tödlich endet. Zwei Kletterouten in den Fisher Towers von Utah wurden zunächst als A6 und A6+ gewertet, doch dann wieder heruntergestuft. Es gibt demnach noch keine „schwierigste Kletterroute im technischen Klettern“, nur Titelanwärter. Nightmare on California Street im Yosemite-Nationalpark hat beste Chancen auf den Titel.
Als die Big-Wall-Legende Ammon McNeely die Route in der Nähe der El-Cap-Route Wings of Steel (A5) 2011 schließlich geschafft hatte, war es die erste Zweitbegehung seit 29 Jahren. Er schrieb, dass es wohl die schwerste Route sei, obwohl seine 20 Stürze während der Begehung relativ folgenlos blieben. Nightmare on California Street, so McNeely, besteht aus schwierigen Passagen – und gefährlichen Stürzen. Das ist wohl auch der Grund, warum sie seit der Erstbegehung im Jahr 1998 bisher nicht noch ein weiteres Mal geklettert wurde.
10
Drytooling: Parallel World
- Location: Tomorrows World Cave, Dolomiten, Italien
- Schwierigkeitsgrad: D16
- Erstbegehung: Darek Sokołowski, 2018
In einem Gebiet, das für seine zähen und ausgetrockneten Drytooling-Routen berüchtigt ist, soll „Parallel World" die härteste von allen sein - mehrere abgestufte Überhänge gefolgt von einem fast 50-m-langem, horizontal verlaufendem Dach, das überwunden werden muss.
Die Route erfordert höchste Anstrengung, unglaubliche Moves, geht teilweise über lange Passagen und bietet so gut wie keine Möglichkeit für Pausen. Darek Sokołowski benötigte dafür nur 50 Minuten, während er sich mit seinem Werkzeug seinen Weg über diese unglaubliche schwierige Route bahnte und schließlich den Aufstieg schaffte.
Es ist die insgesamt erst dritte D16-Route - nach Gordon McArthurs 80-m-langem „Storm Giant" in Kanada und „Oświecenie". Tom Ballards „A Line Above The Sky", eine D15-Route ebenfalls im Tomorrows World Cave, war die davor schwierigste Drytooling-Route.