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Music
Vom Straßenjungen zum Popstar: Die besten Songs von Sido
Niemand hat mehr Hits als Sido, Deutschraps meistgestreamter Popstar mit über 20 Karrierejahren. Ob Deutschpop oder Underground: Wir haben seine wichtigsten Tracks gesammelt.
Es gibt sie wirklich, die direkte Linie zwischen dem Westberliner Tape-Untergrund mit seinem respektlosen Battlerap und dem Popstar-Olymp mit Hitsingles en masse. Und diese Linie heißt: Sido. Kaum jemand vereint nämlich so viele scheinbare Widersprüche in sich und seinem Schaffen wie Siggi ausm Block, der eben auch problemlos Sido aus der Fernseh-Primetime sein kann und möchte.
Wie das alles funktioniert und welche Songs ihr vielleicht schon wieder vergessen habt – wir erinnern euch mit dieser Liste.
01
Weihnachtssong (2003)
Es wäre naheliegend, an „Mein Block“ zu denken, wenn es um den ersten großen Erfolg von Sido geht – und das tun wir auch, keine Sorge. Aber in Wirklichkeit beginnt die Geschichte von Sido als Solokünstler schon ein paar Monate früher, nämlich im Dezember 2003 mit der genialen Idee, einen Weihnachtssong zu rappen. Das Kalkül dahinter: Wenn der erfolgreich wird, dann kann er jedes Jahr aufs Neue erfolgreich sein, „Last Christmas“ und Konsorten lassen grüßen. Und was soll man sagen – genau so kam es, der Song rotierte im Musikfernsehen, stieg jahrelang immer wieder in die Charts ein und ist rückblickend einer der Marketing-Geniestreiche von Aggro Berlin. Dass von Bushido bis B-Tight die ganze Labelprominenz im Video auftaucht, ist sowieso klar. Frohes Fest!
02
Mein Block (2004)
Und dann, klar, eben „Mein Block“. Stellvertretend für Sidos erstes Soloalbum „Maske“ zumindest, denn seinen kommerziellen Durchbruch nur auf diesen einen Song herunterzubrechen, wäre zu einfach. Da war das Mysterium um die Maske, die ein paar Monate später publikumswirksam fiel, aber bis heute nie wirklich verschwand. Da war die einzigartige Verbindung aus Straßenrap, spätpubertärem Berliner Untergrund-Humor und kalkulierter Grenzüberschreitung. Da waren die brutal guten Beats von Roe Beardie und Beathoavenz, da war „Fuffies im Club“ und natürlich Harris, B-Tight und alle. „Maske“ war ein faszinierender und stimmiger Mikrokosmos, nach dem plötzlich auch die größten Skeptiker auf Aggro sein wollten. Aber, ja: „Mein Block“. Ein eiskalter Klassiker aus dem Märkischen Viertel.
03
Meine Kette (mit Reen, 2004)
Jeder Erfolg will verarbeitet werden, und was Sido 2004 alles erlebt hatte, könnte ganze Alben füllen. Er zog es aber vor, sich a) eine „nigelnagelneue Kette“ zu kaufen und b) ausgerechnet einen Rapper auf den Song zu holen, der anderswo gerade reichlich Seitenhiebe und Disrespekt kassierte, ohne dass jemand genau wusste, wieso eigentlich: Reen alias MC Rene. Das Ergebnis heißt „Meine Kette“ und landete als musikalisches Highlight auf der vierten „Aggro Ansage“-Compilation.
04
Steh wieder auf (mit Harris als Deine Lieblingsrapper, 2005)
Nur eine kurze Verschnaufpause gönnte sich Sido, bevor er mit seinem Bruder im Geiste in den Club drängte: Harris und Sido waren Deine Lieblingsrapper und nahmen „Dein Lieblingsalbum“ auf, so einfach kann es sein. Als Teil der Spezializtz war Harris schon in der Spielzeit 1999/2000 einer der besten Entertainer der Szene, aber nachdem die eigene Band verfrüht auf Eis gelegt wurde, mauserte sich die Kollabo mit Sido zum Gipfeltreffen der Feier-Wahnsinnigen. Deep war das nicht wirklich – aber ein astreiner Berliner Buddy-Movie war's auf jeden Fall.
05
Schlechtes Vorbild (2006)
2006 machte sich Sido auf eine Reise, die irgendwie bis heute andauert und nicht gerade unkomplex ist. Er distanziert sich zyklisch von Maske und Bad-Boy-Image, nur um dann wieder Kehrtwenden zu machen („Maske“, „Ich“, „Ich und meine Maske“ sowie „Ich und keine Maske“ waren allesamt programmatische Albumtitel), er reflektiert Eminem-like seine Rolle der Provokateurs und die Kunstfigur Sido mit all dem Licht und Schatten drumherum, und dann, tja …
06
Mein Testament (2006/2010)
… dann verabschiedet er sich einfach. Zumindest einen Song lang, im Jahr 2006. Aber Sido wäre nicht Sido, wenn er nicht regelmäßig Teile seines letzten Willens neu schreiben müsste, weil das Leben eben so spielt. Schon 2010 bei seinem MTV Unplugged haben sich ein paar Details geändert im Vergleich zu 2006. Fair, oder? Ein wichtiger Song über das Geschäft, Freundschaften und Erfolg bleibt „Testament“ gerade deshalb.
07
Hey Du (2009)
Nicht nur die Maske spielt bei Sido immer eine Rolle, nein, auch sein altes Label: 2009 ist das zwar Geschichte, aber Sido benennt sein viertes Album nach „Aggro Berlin“ und gibt sich auf vielen Tracks persönlich wie nie zuvor. Ein Song stellt dabei alles in den Schatten, denn nach „Hey Du“ ist schlagartig Schluss mit dem Battlerap-geschulten Westberlin-Kult, den auch Sido und Aggro lange befeuert hatten. Sido erzählt nämlich zum ersten Mal entwaffnend offen von seiner Kindheit im Prenzlauer Berg und outet sich damit als waschechter Ostberliner – endlich.
08
So mach ich es (mit Bushido als 23, 2011)
Gipfeltreffen hin, deutsche „Watch The Throne“ her, dies, das, Aggro-Reunion und Peter-Maffay-Feature? Das gemeinsame Albumprojekt der ehemaligen Aggro-Signings Sido und Bushido, das auf den Namen „23“ hört, war eine unentschlossene Angelegenheit, und genau das war zu erwarten. Denn beide waren längst Deutschrap-Superstars, beide flirteten mit Mainstreamkultur und ewiger Provokation gleichermaßen und beide hatten irgendwie alles und nichts zu verlieren, als sie sich nach ein paar Jahren des Schweigens wieder zusammentaten. Aber es bleibt dabei: „So mach ich es“ mitsamt dem Specter-Video war ein verdammter Blockbuster. Standesgemäß eben.
09
Meine Jordans (mit Bass Sultan Hengzt, 2012)
Einer aus dem Off, der Bonustrack für die Skills, den Style, den Schuh und die alte Clique: diese frisch polierte Sneakerporn-Clubhymne mit Hengzt. Einfach weil sie's können. Denn Pop kommt schneller zurück, als du denkst.
10
Bilder im Kopf (2012)
Acht Jahre nach dem Solodebüt das Best-Of-Album (es heißt „#Beste“ und „Meine Jordans“ war ebenfalls einer der neuen Songs darauf) und dann direkt die Mitsing-Hymne zum Erinnern an die eigene History mitgeliefert: „Bilder im Kopf“ war so dreist poppig wie unwiderstehlich, so nett wie unerwartet. Der Erfolg gab Sido recht, die Single schaffte es in die Top 5 und nahm ihm offenkundig die Furcht davor, auch mal ganz unironisch Gefühle für die Massen zu rappen. Wenn man will, findet man also ganz genau hier den Startschuss für einen neuen Sido: den Popstar, aber diesmal mit Absicht.
11
Einer dieser Steine (mit Mark Forster, 2013)
Darf man ja auch nicht vergessen, wie Sido damals Mark Forster zum Durchbruch verhalf – der Cap-und-Brille-Sympath mit dem Dauerabo auf die Deutschpop-Rotationen des Landes knallte mit „Einer dieser Steine“ erstmals in die oberen Chartregionen und ist seither nicht mehr dort wegzukriegen. Einen melancholischen Sido-Klassiker gab's bekanntermaßen obendrauf.
12
30-11-80 (mit Sidos Lieblingsrappern, 2013)
Dass ein Album, benannt nach dem eigenen Geburtstag, etwas tiefer blicken lässt, kann man annehmen. Sido geht aber noch weiter mit dem fast elfminütigen Titeltrack und versammelt eine buntere Allstars-Riege ganz persönlicher Lieblingsrapper aus drei Jahrzehnten, als sich jemals irgendwer in Deutschland getraut hat: Eko Fresh, Lakmann, Laas Unltd., Nazar, Frauenarzt, Manny Marc, Bushido, BK, Olli Banjo, Tarek, Smudo, Erick Sermon, MoTrip, Moses Pelham, Bass Sultan Hengzt, Afrob, Dokter Renz von Fettes Brot und B-Tight. Das ist dann wohl die ultimative Antwort auf die Frage: Wer hat dich beeinflusst?
13
Astronaut (mit Andreas Bourani, 2015)
Ach so, ja, die Sache mit den Radiohits – müssen wir hier wirklich noch begründen, wie wichtig „Astronaut“ war? Eben.
14
Hamdullah (2016)
Und da ist sie wieder, die Balance, die Sido so perfekt beherrscht. Auf jeden Deutschpop-Chartbreaker kommt ein „Hamdullah“, eine szenebezogene Standortbestimmung, die keinen Zweifel daran lässt, dass Siggi sich immer noch nicht als Elder Statesman sehen mag. Manchmal muss man eben sticheln und meckern: „… und wenn's sein muss, zerleg' ich jeden Rapper.“
15
Royal Bunker (mit Kool Savas, 2017)
Da ist er wieder, der Bunker, der aus der DNA des Berliner Rap nicht wegzudenken ist, das verbindende Element zwischen Kool Savas und Sido. Mitte der Nullerjahre wäre das kaum denkbar gewesen – 2017 war es ein Instant Classic. Die Fortsetzung gibt's am 19. Mai beim Red Bull Soundclash!
16
Mein Block (mit LGoony, Soufian & Crack Ignaz, 2017)
Kurzer Einschub für das „Mein Block“-Update beim Red Bull Soundclash 2017 – und der Beweis, dass Sido für nachfolgende Generationen immer mehr als relevant war. Viel wichtiger ist aber eigentlich, dass er immer die richtige Respektlosigkeit mitbrachte und wusste, wo der Hype brodelt.
17
Woher (mit Bozza, 2020)
Sido als Labelboss und Mäzen für die nächste Generation – Adesse und Estikay können ein durchaus erfolgreiches Lied davon singen, begannen sie ihre Karrieren doch bei Sidos Goldzweig-Imprint. 2020 folgte dann aber der ganz große Knall, als bekannt wurde, dass Sido das Traditionslabel Def Jam Germany zurückbringt. Sein erstes Signing war logischerweise ein Rapper und Songwriter, von dem er selbst Fan ist: Der Hamburger Bozza, dessen Single „Elbe“ inzwischen Goldstatus hat, veröffentlicht sein Album „Glücklich unzufrieden“ gerade unter Sidos Fittichen. „Woher“ markierte den Beginn dieser Freundschaft.
18
Mit Dir (2021)
Diese Geschichte mit dem verletzlichen Sido zu beenden, dem gefühlvollen Rapper, der eben auch einfach nur ein Mensch ist – das ist mehr als angemessen, oder? Über „Mit Dir“ und die Frage, wem es gewidmet sein könnte, wird seit Release viel spekuliert. Ist aber eigentlich auch Nebensache, denn so gut ist Sido selten ein Liebeslied gelungen.
Ohne ihn wäre Deutschrap eben etwas weniger schön.