Angyil steigt in ein Battle im Hirosaki Park, Japan, ein.
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Tanz

Alles über die Geschichte und den kulturellen Einfluss von Street-Dance

Street-Dance ist ein Überbegriff, der die verschiedensten Tanz-Styles, die ihre Wurzeln auf der Straße haben, vereint. So entstanden HipHop, Locking, Popping und House.
Autor: Tracy Kawalik
8 min readPublished on
Tauche tief ein in die Geschichte von HipHop, Popping, Locking und House und erfahre, wie diese Street-Dance-Genres entstanden, wie sie sich weiterentwickelten und wie sie Tänzer auf dem gesamten Globus noch heute miteinander verbinden.
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HipHop: Freestyle aus der Bronx

HipHop entstand in den 1970er-Jahren in der Bronx. Breaking, DJing, MCing und Graffiti bilden die vier Elemente dieser Kultur, die wiederum das kulturelle Leben der afro- und lateinamerikanischen Communitys charakterisierten.
NYC wurde immer mehr zur Stadt der Boomboxes, während Pioniere auf den Turntables wie etwa DJ Kool Herc zum ersten Mal rhythmische "Breaks" loopten und den Soundtrack auf die Straßen pumpten.
Auch wenn das Geld fehlte, hielt das die Kreativität und den Spirit nicht davon ab, sich voll und ganz zu entfalten. Tänzer aus rivalisierenden Crews oder ganze Nachbarschaften klärten ihre Differenzen, indem sie ihre Moves in Cyphers hinlegten. Block-Partys, Park-Jams und Freestyle-Sessions auf Skating-Bahnen und Clubs fanden regelmäßig statt. Die Tänzer stürmten den Floor, um die Drum-Breaks ihrer besten Funk-Records voll und ganz auszukosten, was wiederum unbewusst das Fundament für HipHop, Popping und Locking legte, während sie sich selbst immer mehr einen Namen machten.
Buddha Stretch posiert für ein Porträt im Red Bull BC ONE Camp in Hirosaki, Japan.

Buddha Stretch gehört zu den einflussreichsten Figuren im HipHop-Genre.

© Jason Halayko / Red Bull Content Pool

Freestyle-HipHop ebnete den Weg für unzählige Party-Dances und entwickelte sich immer weiter zu einem anerkannten und viel-performten Style. Zu jener Zeit, als die goldene Ära einsetzte, wurde MTV mit Musik-Videos, die auf HipHop-Choreographien aufbauen, geflutet, während Tanzstudios das Genre mit immer mehr Diversität füllten.
Daneben verbreitete sich der Style von der East- bis zur West-Coast und war in Hollywood-Filmen genauso zu sehen wie im Fernsehen, womit das Genre auch globale Berühmtheit erfuhr. Springen wir nach vor, ins Jahr 2022, dann ist klar zu erkennen, dass Street-Dancer ihre Genres perfektioniert haben und sie mit ihrem breiten Skillset bereit für jedes Battle sind.
Dancehall und westafrikanische Tänze mit Afrobeats haben den Freestyle-HipHop zweifellos weiter beeinflusst. Daneben sind auch Elemente von lateinamerikanischen Stilen wie Salsa, Kizomba, Samba, Cumbia und Bachata zu erkennen. Disco-basierte Street-Styles wie "Vogueing" und "Waacking" übernehmen ganze Nationen, während old-school Party-Dances wie Boogaloo, Hustle und Shuffle ein Comeback feiern. Capoeira und Einflüsse aus einer breiten Palette Martial Arts ergänzen das Ganze. Die Tänzer meistern Locking, Popping und andere Funk-Styles, von denen du wahrscheinlich noch nicht einmal gehört hast, souverän und begeistern die Fans auf der ganzen Welt.

11 Min

Hip-Hop Finale

Das ist ein Dance-Battle, in dem alles auf den persönlichen Ausdruck ausgerichtet ist - das ist Juste Debout 2017!

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Locking: Innenstadt-Flair auf den Bildschirmen von Soul Train

Wie HipHop stieg auch Locking in den letzten 45 Jahren von innerstädtischen Cyphers in LA zu den glitzernden Dance-Floors von Soul Train auf. Vieles davon ist dem Tänzer Don Cambellock zu verdanken, der das Genre mehr oder weniger zufällig erfunden hat. Sein Sohn Dennis D Danehy Campbell erinnert sich daran, wie sein Dad einen neun, mittlerweile populären Move mit dem Namen "Robot Shuffle" in der Cafeteria seiner Schule vorführen wollte. Stattdessen kreierte Don Campbell damit aber eine völlig neue Art zu tanzen, die zu seiner eigenen Überraschung so gut wie jeder im besagten Raum lieben lernte. Die Crowd begann zu jubeln: "Do that, Lock, Campbell, do that Lock!"...Der Rest ist Locking-Geschichte!
Dons neuer Tanzstil verbreitete sich rasant und er fand sich und seine Tanz-Crew "The Lockers" plötzlich in Soul Train wieder, wo er neben Künstlern wie James Brown live im Fernsehen performte. Als Don Campbell aber herausfand, dass er und all die Tänzer, die die Show berühmten machten, nicht bezahlt werden würden, setzte er sich vehement für Gleichberechtigung ein.
Tony Gogo posiert für ein Porträt während der Red Bull Dance Connect-Tutorials in Salzburg, Österreich, 2018.

Tony Gogo ist eine Locking-Legende.

© Leo Rosas / Red Bull Content Pool

Neben Campbell setzen viele Locker diese Moves ein, um während der Civil Rights-Bewegung Einheit zu demonstrieren - der "Locking Handshake" ist hier ganz besonders herauszustreichen. Viele der Künstler waren politische Aktivisten abseits des Dance Floors und verwendeten ihre Kunst, um für einen positiven Umschwung zu sorgen.
Der ikonische Choreograph Toni "Mickey" Basil (der auch "Hey, Mickey" sang) gründete die Crew "The Lockers" im Jahr 1973, womit es ihm gelang, den Charakter des Tanzes für immer zu verändern. Sie performten bei Saturday Night Live, in der Radio City Music Hall und in der Garnegie Hall, während sie in mehreren Award-Shows und Filmen ihre jeweilige Solo-Karriere pushten.
Locking charakterisiert sich zu einem großen Teil durch den individuellen Ausdruck, durch Selbstbewusstsein und den Hype, in den man sich als Künstler selbst versetzt. Unzählige Moves haben sich mittlerweile etabliert, darunter der "Giving Yourself Five", bei dem du deine Hand hinter dein Ohr führst, das Publikum mit deinem Blick abholst und auf Applaus wartest. Daneben werden "Wrist Rolls" genauso eingesetzt wie "Jazz Splits", "High Kicks", "Knee Drops" und vieles mehr.

11 Min

Locking Finale

Vovan und Funky-J (Paris, Frankreich) treten gegen Black A und JP Black (Sorocaba, Brasilien) an, um ihr Locking-Finale auszufechten.

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Popping: Von Fresno in die ganze Welt

Popping übernahm Fresno und Oakland in den 1960er-Jahren. Seine Wurzeln findet das Ganze in einem Tänzer namens Boogaloo Sam, der seinem Bruder, Popin' Pete und etwas später seinem Cousin, Skeeter Rabbit, zeigte, wie man ein Popper ist. Gemeinsam formten sie die legendäre Gruppe "Electric Boogaloos" und es gelang ihnen, die Aufmerksamkeit von Boogaloo Shrimp und Pop N Taco zu gewinnen, die sie auf der Bühne unterstützten. Jeder unter ihnen wurde zur Ikone, was vor allem auch damit zu tun hatte, dass sie in Filmen wie "Beat Street", "Breakin'" und "Brakin' 2: Electric Boogaloo" in Erscheinung traten. Daneben choreographierten sie Dances und gaben Künstler:innen wie Janet Jackson, Chaka Khan und sogar Michael Jackson Privatunterricht. Boogaloo Shrimp war dabei derjenige, der letzterem den "Back Slide" - besser bekannt als "Moonwalk" - beibrachte.
Während nach wie vor umstritten ist, ob Popping in Fresno oder in Oakland entstanden ist, gilt es mittlerweile als sicher, dass sich dafür vor allem jene Menschen mit dem geringsten Einkommen und damit mit den geringsten Chancen verantwortlich zeigten. Popping und der Fame, denn diese Tänzer generierten, bewiesen, dass für die Jugend dieser Zeit und dieses sozialen Umfelds alles möglich ist! Popping gab ihnen Hoffnung.
Mr Wiggles spaziert in eine Cypher mit einer Pfeil-und-Bogen-Pose.

Mr. Wiggles möchte die Judges beeindrucken.

© Jason Halayko/Red Bull Content Pool

Nachdem Popping seine Wurzeln in der Ära der 1970er-Jahre hat, wurde vor allem zu Funk und Disco getanzt, mit Soundtracks von Zapp, Gap Band, Cameo und vielen mehr. In den 80er-Jahren setzten dann viele Popper elektronische Musik ein und tanzten zu Künstlern wie Kraftwerk und Egyptian Lover. Auch Mainstream HipHop von Run DMC, Whodini und Kurtis Blow fand Verwendung. Heute setzen Popper auf eine breite Palette an musikalischen Genres, um ihren individuellen Stil zu finden.
Popping gilt daneben als technisch anspruchsvollstes Genre unter den Street-Dance-Styles. Alles dreht sich darum, die Muskeln zu isolieren, anzuspannen und wieder zu entspannen - angepasst an den rhythmischen Beats der Musik.
Im Jahr 2022 gehört Popping zu den meist-gehypten Genres. Die Tänzer zeigen damit ihren unvergleichlichen Style, ihren Charakter und ihre Finesse, um die Crowd in Stimmung zu bringen.

12 Min

Popping Finale

Poppin‘C und Ness gegen Hoan imd Jaygee im Popping Finale des Juste Debout 2017.

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House: Alles für die Freiheit auf dem Dance Floor

In den späten 70er-Jahren ermüdete der Kitsch von Disco Music viele "Underground Heads". Zwei DJs aus New York City, Larry Levan und Frankie Knuckles, begannen damit, Disco mit anderen musikalischen Elementen zu verbinden - so kamen Breaks genauso zum Einsatz wie Afro Beats und elektronische Musik. Kurz darauf verkauften sie ihre Musik an Rekord Shops in New York - House Dance war geboren! Das Genre ging in der Underground-Szene von Chicago und New York durch die Decke! Text
Die Leute verliebten sich rasant in diese neue Art von Musik. In den Club zu gehen und zu tanzen wurde von einer einfachen Aktivität zu einer regelrechten Sucht; ihr ganzes Leben drehte sich um das Clubbing. Die Menschen erlebten diese Kultur als kraftvolle Erfahrung, so meinte Frankie Knuckles einst, dass der Club für viele Menschen ein Ersatz für die Kirche sei.
Der professionelle Tänzer Shannon posiert für ein Porträt bei den Red Bull Dance Connect Tutorials in Salzburg, Österreich.

Shannon "Whichway Sha" Mabra ist eine House-Dance-Ikone.

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Die frühen House-Lyrics enthielten positive, motivierende Messages für alle Menschen aus den verschiedensten sozialen Schichten, vor allem richteten sich diese aber an Afro-Amerikaner, Latinos und an LGBTQ+-Subkulturen. Die House-Szene gehörte zu den inklusivsten und progressivsten Räumen der 1980er-Jahre.
House-DJs setzten alles daran, um "einen Traum voller Emotionen" zu kreieren mit "Geschichten, Schlüsselbegriffen und Sounds", die dabei helfen sollten, Communitys zu vereinen. Viele House-Tracks motivieren das Publikum dazu, "sich selbst zu verlieren" und "einfach loszulassen". Thematisch dreht sich alles um Gleichheit, Einheit und Freiheit.
Üblicherweise wird zu elektronischer Dance-Music und zu schwerem Bass getanzt, die von DJs in Clubs oder Raves gespielt werden. Im Mittelpunkt stehen ekstatische Bewegungen. Ein Ableger ist das "Lofting", bei dem flüssige, akrobatische Bewegungen auf dem Dancefloor ebenso zentral sind.

13 Min

House Finale

Toyin & Frankie J schwingen sich in den Groove, um gegen Kwame & Serge anzutreten und sich den Sieg im Battle zu holen.

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Die Kraft des Tanzes

Außerhalb der globalen Wahrnehmung, die mittlerweile vor allem durch Performances auf TikTok und Instagram charakterisiert ist, stellt sich eine Frage: Warum ist die Geschichte hinter all diesen Styles so kraftvoll?
Es geht darum zu verstehen, dass House, Waacking, HipHop, Popping und Locking nicht aus einfacher Feierlaune heraus entstanden, sondern immer auch mit Eskapismus vor sozialen Problemen verbunden sind. Die Menschen gingen in die Clubs, um nach mehr als einer einfachen Party zu suchen. Sie wollten emotionale und physische Freiheit erleben und Dampf ablassen. Die Gospel-Vibes, massiven Bass-Beats und hypnotisierenden House-Lyrics sorgten dabei für die perfekte Atmosphäre. Die Underground-Clubs wurden zu einem Raum der Freiheit und des individuellen Ausdrucks. HipHop, Locking und Popping waren ein Vehikel, um tiefe und oft unausgesprochene Emotionen auszuleben.
All das vereinte und motivierte unzählige Charaktere auf den Dancefloors dieser Welt und darüber hinaus. Der Tanz gewann dann an Bedeutung, als die Welt ihn am meisten brauchte - und das wird auch in den zukünftigen Generationen noch der Fall sein!