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Luwam (l.) begleitete Badmómzjay als Tänzerin auf ihrer letzten Tour.
© Felix Krüger
Tanz
Badmómzjay & Luwam Russom: Zwei, die bewegen
Wie Rapperin Badmómzjay und Tänzerin Luwam Russom ihre Welten miteinander verbinden – und damit Deutschrap aufmischen.
Autor: Anne Waak
8 min readPublished on
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Red Bull Dance Your Style World Final

Die populärste Street-Dance-Competition der Welt ist zurück!

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Der Bass pumpt, die Fans kreischen, hoch oben auf der Bühne tanzen eng nebeneinander zwei junge Frauen. Die eine hat feuer­rotes Haar und ein Mikro in der Hand, in das sie ihren Song „Checkst du?!“ rappt. Die andere trägt hüftlange schwarze Zöpfe, ihre Bewegungen sind noch ein wenig prägnanter. Die Choreografie wirkt perfekt abgestimmt und doch mühelos. Hier be­wegen sich zwei, die ganz offenbar wissen, was sie tun: Badmómzjay, eine der erfolgreichsten Rapperinnen Deutschlands, bekannt für ihre mitreißenden Live-Auftritte. Und Luwam Russom, derzeit erfolgreichste Hip-Hop-Tänzerin des Landes. Beide sind Botschafterinnen des am 4. November in Frankfurt stattfindenden Red Bull Dance Your Style World Final, bei dem Luwam zudem als Tänzerin in den Pre-Finals antritt. Was an diesem Frühjahrsabend beim Konzert in Bielefeld klar zu sehen ist: Badmómzjay und Luwam verbindet eine Freundschaft und die Liebe zur perfekten Performance. Dieser wiederum liegt eine Leidenschaft fürs Tanzen zugrunde, die ihre Lebenswege ganz unterschiedlich prägte.
Auf dem Dance­floor ist Luwam für ihren starken Ausdruck bekannt.
Auf dem Dance­floor ist Luwam für ihren starken Ausdruck bekannt.© Felix Krüger
Badmómzjay lebt in Berlin. Mit ihren 21 Jahren hat sie einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Kurz nachdem sie eines Nachts ihren ersten Rap geschrieben und bei Social Media performt hatte, gründete sie Bad Momz Records, ihr eigenes Label – nur um wenig später vom Major Universal unter Vertrag genommen zu werden. 2020 schoss ihre erste Single „Move“ in die Charts. Badmómzjay ist die erste weibliche Musikerin, die mit 18 Jahren auf Platz eins der deutschen Hitliste stand. Die Single „Tu nicht so“ war vergangenes Jahr Teil des Soundtracks des Spiels „FIFA 22“. So weit, so erfolgreich.
Auf der Bühne verzichtet Badmómzjay auf Absicherung – wie etwa Playback.
Auf der Bühne verzichtet Badmómzjay auf Absicherung – wie etwa Playback.© Felix Krüger

Auftritte ohne doppelten Boden

Was Badmómzjay jedoch besonders auszeichnet: wie viel Wert sie auf ihre Live-Auftritte legt. Ihre Tour nannte sie „Live ohne Back-up“, eben weil sie etwa kein Playback einsetzt. Auch was die Show angeht, will Badmómzjay es besser, aufregender, größer machen als alle anderen – mit anderen. Und hier kommt Luwam Russom ins Spiel. Sie ist eine Street-Dance-Größe. 2021 spielte sie im Kinofilm „Fly“ neben der Tanzcrew Flying Steps mit, im Jahr darauf wurde sie deutsche Hip-Hop-Meisterin. Als bislang einzige Frau tanzte sie auf den Bühnen der renommierten internationalen Events „Just Debout“ und „Summer Dance“.
Alles auf Bunt!
Alles auf Bunt!© Felix Krüger
Bei Auftritten setzen Badmómzjay und Luwam immer Zeichen für Vielfalt.
Bei Auftritten setzen Badmómzjay und Luwam immer Zeichen für Vielfalt.© Felix Krüger
Erst Anfang September gewann sie zum zweiten Mal in Folge das Red Bull Dance Your Style National Final und qualifizierte sich für die Pre-Finals des Weltfinales in Frankfurt. Ihre Eltern stammen ursprünglich aus Eritrea, ihrem rollendem R hört man ihre fränkische Heimat Nürnberg an. Luwam war eine der Ersten, die zu Badmómzjays Musik tanzten und Videos davon auf TikTok hochluden, was Badmómzjay mit Likes honorierte. Beim Red Bull Sound Clash 2022 trafen die beiden im Backstage-Bereich das erste Mal aufeinander – und mochten sich sofort. „Du hast mich von hinten umarmt“, erinnert sich Luwam. „Echt? Das mache ich sonst nie bei Leuten, die ich nicht kenne“, gibt Badmómzjay zurück.

Die fünf Elemente des Hip-Hop

Sie merkten schnell, dass sie auch künstlerisch harmonieren, und Anfang 2023 unterstützte Luwam Badmómzjay auf deren Tour. Nicht nur als Background-Tänzerin, sondern mit minutenlangen Solo-Parts. „Mit dem Feature haben wir in Deutschland Geschichte geschrieben“, so Luwam. Während ein Konzert von, sagen wir, Beyoncé ohne Choreografien gar nicht denkbar ist, treten hiesige Rap-Stars selten gemeinsam mit Tänzerinnen und Tänzern auf – geschweige denn, dass sie ihnen die Bühne für eigene Auftritte überlassen.
Mit meinem Solo-Auftritt beim Konzert haben wir in Deutschland Geschichte geschrieben.
Luwam Russom
Dabei verstand sich Hip-Hop immer als Zusammenspiel von fünf Elementen, zu denen neben Rap und DJing, Graffiti, dem Wissen um Hip-Hop und die Welt auch der Tanz gehörte. Nur scheint das in Vergessenheit geraten zu sein. Anders bei Badmómzjay: Mit Fatoumata Camara, bekannt durch die Doku-Serie „Family of Choice“, engagierte sie früh eine Tänzerin für ihre Choreografien.
Badmómzjay fing selbst im Alter von drei Jahren mit dem Tanzen an.
Badmómzjay fing selbst im Alter von drei Jahren mit dem Tanzen an.© Felix Krüger
Die Leidenschaft dafür ist bis heute geblieben.
Die Leidenschaft dafür ist bis heute geblieben.© Felix Krüger
Mittlerweile ziehen andere Rapperinnen wie Loredana nach. Man könnte sagen: Mit ihrer Leidenschaft für den Tanz hat Badmómzjay ihre eigenen Shows mitreißender und die Hip-Hop-Landschaft spannender gemacht. „Mir war Luwams Auftritt sehr wichtig, und ich habe die Wertschätzung dafür bei ihr gespürt. Ich finde es so toll, Leute strahlen zu sehen, die es verdient haben“, sagt sie, und ihr laufen ein paar Tränen der Rührung über die Wangen.
Ich freue mich darauf, die Reaktionen des Publikums zu sehen und zu wissen: You did that.
Badmómzjay
Dass ihr das Thema so am Herzen liegt, hat auch damit zu tun, dass sie ab dem zarten Alter von drei Jahren selbst getanzt hat. „Irgendwann lief das aus, aber Tanz war immer in meinem Herzen.“ Luwam dagegen kam mit vier zum Ballett, bis ihr Vater sie ein paar Jahre später in ein Jugendzentrum mitnahm, wo sie zum Hip-Hop kam und in Showgruppen tanzte.

Urknall im Wohnzimmer

Ihre wichtigsten tänzerischen Einflüsse datieren beide, Badmómzjay und Luwam, auf das Jahr 2004. Damals veröffentliche Usher seinen Überhit „Yeah“, dessen Choreografie das damals zwei Jahre alte Kind später zu Hause vor dem Fernseher immer und immer wieder nachtanzen sollte. Das prägende Erlebnis der sechs Jahre älteren Luwam war der Tanzfilm „Street Style“. „Ich glaube, die meisten Tänzerinnen und Tänzer der Generation haben wegen dieses Films angefangen“, sagt sie. Der Streifen brachte sie das erste Mal mit Freestyle in Berührung und auf die Idee, statt wie bislang in der Gruppe, auch unabhängig tanzen zu können. „Beim Battle brauchst du niemand anderen. Und je disziplinierter du bist, desto besser bist du.“ An Disziplin mangelt es Luwam offensichtlich nicht.
Beim Tanzen ist mein Style energisch und extrovertiert. Das geht sehr nach vorne.
Luwam Russom
„Street Style“, der in der vornehmlich schwarzen Street-Dance-­Szene Südkalifor­niens spielt, ist kein erzählerisches Meisterwerk, aber die Choreografien – der Film beginnt mit einer knapp fünfminütigen Battle-Szene in einem Boxring in Los Angeles und endet mit einem großen, von MTV gesponserten Tanzwettbewerb – sind exzellent. Kein Wunder, dass eine Neunjährige in Nürnberg hier etwas gesehen hat, das ihr Leben verändern sollte.

Von der Beobachtung zur Choreo

Heute ist Tanz ihr Leben. Luwam arbeitet als Tänzerin, Trainerin und Choreografin für Artists wie Lena Meyer-Landrut, für Bozza und eben für Badmómzjay selbst. Wobei es nicht so ist, dass Luwam Badmómzjay einfach Bewegungen vorsetzt, die diese dann auf der Bühne tanzt. Ihre Zusammenarbeit beruht auf Luwams genauer Beobachtung. „Sie kennt mich schon gut und weiß, welche Moves ich mache. Die arbeitet sie in die Choreografie mit ein“, erklärt Badmómzjay. „Das macht es mir nicht schwer, sie zu lernen.“ Und Luwam ergänzt: „Es muss alles organisch sein, sie muss es fühlen. Wenn das nicht passiert, kriegt sie die Choreo­grafien beim Performen nicht hin.“
Luwam und Badmómzjay entdeckten schon als Kinder das Tanzen für sich.
Luwam und Badmómzjay entdeckten schon als Kinder das Tanzen für sich. © Felix Krüger
Deswegen verwarfen sie auch einen Move, den sie für die Tour geprobt hatten, der aber so nicht funktionierte. Die Idee war, dass Luwam das Mikro halten sollte, während Badmómzjay rappte – doch jede ruckartige Bewegung hätte den Sound von Badmómzjays Rap negativ beeinflusst. Auch das ist eine Qualität, die beide verbindet und zu den Besten ihres Fachs gehören lässt: Sie machen keine halbgaren Kompromisse.
Mir war Luwams Auftritt sehr wichtig, und ich habe die Wertschätzung dafür bei ihr gespürt.
Badmómzjay
Luwam bezeichnet ihren tänzerischen Style als energisch und extrovertiert, „das geht sehr nach vorne“. Dass ihr manche eine maskuline Energie nachsagen, hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie sich entgegen dem vorherrschenden Bild von Tänzerinnen nicht zwingend knapp bekleidet zeigt. Wenn sie erwähnte, was sie beruflich mache, höre sie manchmal: „Ach, du bist Go-go-Tänzerin?“ Als gebe es für eine tanzende Frau nur diesen einen denk­baren Platz. Auch Badmómzjay kann viele Geschichten davon erzählen, wie sie sich im nach wie vor von Männern dominierten Geschäft behaupten musste und muss. „Es wird immer erst mal auf dich runter­geschaut, du musst dich viel mehr beweisen als andere“, sagt sie. „Ich musste mir meinen Respekt erst erarbeiten und habe sehr dafür gekämpft. Aber ich erhebe meine Stimme für die, die es nicht können oder sich nicht trauen.“

Voller Einsatz für die Liebe

Damit meint sie vor allem LGBTQ-Jugend­liche. Mit dreizehn verkündete Badmómzjay, dass sie bisexuell sei. Bis heute setzt sie sich für die Belange der Community ein – auch das ist immer noch eine Seltenheit im Hip-Hop. Sie rappt darüber („Du kannst mir nicht erzählen / Wen ich lieben soll“), äußert ihre Verwunderung, dass ihre Sexua­lität so ein großes Thema ist, und macht Jugendlichen Mut, die über ihr eigenes Outing nachdenken. „Ihr dürft lieben, was ihr wollt und wen ihr wollt“, sagte sie vor ein paar Jahren. „Euer Leben gehört euch, und ihr könnt damit machen, was ihr wollt.“
Beim Red Bull Dance Your Style World Final startet Luwam in den Pre-Finals.
Beim Red Bull Dance Your Style World Final startet Luwam in den Pre-Finals.© Felix Krüger
Die Choreo für Badmómzjay muss organisch sein. Sie muss es fühlen.
Luwam Russom
Weder Luwams noch Badmómzjays Kar­riere wäre denkbar ohne Social Media, auch ihre Freundschaft und Zusammen­arbeit verdanken sie YouTube, Instagram und TikTok. Aber insbesondere, was die letztgenannte Plattform angeht, haben sie eine differenzierte Meinung. Sie sind sich einig, dass TikTok unverzichtbares Tool für Reichweite und die Verbindung mit den Fans ist. Aber sie sehen auch, dass es die Definition dessen dehnt, was als Tanz angesehen wird. „Es gibt einen Unterschied zwischen TikTok-Tänzern und professionellen Tänzern“, so Luwam. „Wer in der Disko tanzt, ist doch auch nicht gleich Tänzer.“ Und Badmómzjay ergänzt: „Ich will den Leuten gar nicht absprechen, dass es cool ist, was sie machen. Aber es macht das Tanzen ein bisschen kaputt“. Boom. Gleichzeitig sehen beide: Wenn die Leute merken, wie viel Arbeit in 15 Sekunden Tanzsequenz stecken, steigt ihre Achtung vor den Profis.
Klar ist, dass sie noch lange nicht am Ende ihrer Zusammenarbeit sind. Nächste Station: Das Red Bull Dance Your Style World Final in Frankfurt am Main. Dafür planen sie, wie könnte es anders sein, etwas ganz Besonderes. Vorerst sei nur so viel verraten: Es wird eine Feier der Diversität und von Female Empowerment. Gefragt, worauf sie sich dabei am meisten freut, sagt Badmómzjay: „Darauf, das Publikums zu sehen, dessen Reaktion. Und zu wissen: You did that.“ Zusammen werden die beiden auch mit diesem Auftritt Rap und Tanz zu etwas Größerem verbinden – ganz sicher.
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